„Wir können Krise“ – sagt unser heutiger Podcast-Gast Jasmin Moallim sehr selbstbewusst in Zeiten der Corona-Pandemie. Sie hat zusammen mit Julia Chevalley den Curvy Concept Store Les Soeurs Shop gegründet. Die beiden konzentrieren sich in ihrem Onlineshop und im Ladengeschäft in Berlin auf Plus-Size-Mode.
Lesetipp: Wie du eine einzigartige Über-uns-Seite gestaltest, verraten wir dir in diesem Beitrag.
Im Podcast erzählt Jasmin, wie sie über kurvenreiche Umwege zu diesem Nischenmarkt gekommen sind, warum Plus-Size noch immer nicht bei großen Marken angekommen ist, welche Rolle der Onlineshop in der Modewelt spielt und wie die Chancen für eine Unternehmensgründung in Deutschland stehen.
Die komplette Transkription dieser Folge findest du.
Show Notes
- Store: Les Soeurs Shop
- Social Media: Facebook, Instagram
Von Herrenmode zur Plus-Size-Kollektion
Jasmin Moallim: Uns gibt’s jetzt seit fünf Jahren. Ich habe vorher viele andere Dinge gemacht, bin früh von zuhause ausgezogen, bin in die USA und habe dort einen High-School-Abschluss gemacht. Ich habe dann das Abitur und meinen BWL-Abschluss gemacht. Ich bin aber eigentlich eine Kreative, auch im Design, visuell und ästhetisch. Dann war ich weitere Jahre wieder in den USA und auch in der Karibik hab. Erst vor vier Jahren habe ich mit vielen Zwischenstationen den Les Soeurs Shop gegründet.
Manuel Fritsch: Du hast es ja mit deiner Geschäftspartnerin Julia zusammen gemacht. Wie seid ihr da zusammengekommen und wie ist die Idee für diesen Shop entstanden?
Wir hatten damals schon die Begeisterung für Nischen und Dinge, die der Markt noch braucht.
Jasmin: Julia und ich haben zusammen Modedesign und Schnitt studiert. Wir haben damals zusammen eine Herrenkollektion nach dem Studiengang entworfen und sind dann aufgrund dieser relativ schnell bekannt geworden. Wir hatten damals schon die Begeisterung für Nischen und Dinge, die der Markt noch braucht. Damals ab 2004 gab es einfach noch nicht so viel in dem Bereich Design für Männer. Wir hatten dann ein Atelier, hatten dann auch in Paris, New York und London Showrooms und konnten dann ein bisschen von diesem Gefühl, was es bedeutet, selbstständig zu sein, und eigene Ideen umzusetzen, zehren. Wobei ich dann nach zwei, drei Jahren gesagt habe, das ist alles schön, was wir tun und die Presse findet das auch ziemlich interessant, aber eigentlich steckt null Businesskonzept dahinter. Wir arbeiteten alle noch nebenher, um dieses Baby zu füttern, was uns richtig viel Spaß gemacht hat, aber so ist es nicht realistisch, damit langfristig zu bleiben.
Manuel: Aber wie kam das? Es klang jetzt so, als war da durchaus Interesse an eurer Mode.
Es braucht ein Businesskonzept, es braucht einen Plan, es braucht eine Zielgruppe!
Jasmin: Wir hatten damals sehr viel Presse. Wir bekamen auch von Karstadt diesen Karstadt New Generation Award. Da wurde uns viel Geld gesponsert, um die Eigenkollektion zu machen, aber es braucht ein Businesskonzept, es braucht einen Plan, es braucht eine Zielgruppe! Und das hatten wir nicht. Wir waren sehr ästhetisch und wir hatten eine tolle Ansprache und die Leute mochten, was wir gemacht haben und wie wir es gemacht haben. Ich habe zum Beispiel für eine Jacke zwei Wochen lang einen Schnitt gemacht. Das waren 26 Schnittteile. Geordert wurde das dann am Ende dreimal.
Geschäftsführerinnen Jasmin Moallim (links) und Julia Chevalley (rechts) mit Curvy-Infuencerin Caterina Pogorzelski
Manuel: Okay. Also ihr habt tolle Sachen gemacht, die aber eben keinen Markt bedient haben.
Jasmin: Man muss sich überlegen, wie man das angeht. Und das hat einfach zu dem Zeitpunkt noch gefehlt. Dann sind wir noch mal auseinandergegangen und ich bin nach Paris und habe da 2009 versucht bei Yves Saint Laurent und Co. reinzukommen. Das war aber zu dem Zeitpunkt ziemlich schwierig und ich habe dort leider nie einen Job bekommen. Da war dann auch diese Weltwirtschaftskrise, dass es eben wirklich nicht funktioniert hat für die Modebranche und für mich in Paris. Julia hat sich zeitgleich im Retail Management gesettelt und dort ein englisches Unternehmen in Deutschland mit den Stores eröffnet und dadurch viel Retail-Erfahrungen gesammelt. Dafür hatte sie auch immer schon Interesse, Shops zu machen. Ich war im kreativen, freien Bereich. Ich war dann auch in Produktionen in Mauritius, Indien und habe dort Dinge angefertigt.
Dabei hatte ich auch immer diesen Drang, Dinge zu entwickeln.
Als ich dann wieder nach Berlin zurückkam, stand sie frustriert bei diesem Retail Shop und sagte: „Ich will das nicht mehr machen. Die wollen einfach nur Zahlen, Zahlen, Zahlen“. Und ich stand auch da: „Ja, komm, ich kann jetzt auch hier kein neues Unternehmen auf die Beine bringen. Lass uns wieder was zusammen machen“. Und dann haben wir so ein bisschen gebrainstormt, erstmal überlegt, was ist es denn, was so fehlt? Zu mir selbst, ich bin 1,83 groß, war so mein Leben lang durch meine Größe einfach immer an den Grenzen der Kleidergrößen. Ich konnte mich dabei immer so ein bisschen durchfriemeln, habe nie darüber nachgedacht, dass ich vielleicht mal woanders gucken könnte. Zu diesem Zeitpunkt, also als wir dann gebrainstormt haben, kam mir auch immer dann dieser Gedanke: Was ist denn mit dieser Plus-Size-Szene? Können wir uns da irgendwie platzieren? Und dann haben wir angefangen, uns ganz nerdig bei diesem BPW Businessplan-Wettbewerb zu bewerben, wo man dann auch Abgaben hat und Feedbacks auf die einzelnen Businesspläne-Schritte bekommt.
Lesetipp: Das Einmaleins der Hashtags auf Instagram und welche besonders beliebt sind, erklären wir dir hier.
Wir haben uns einen Businessplan erarbeitet mit dem Konzept, wir ergründen einen Curvy Concept Store, also einen Plus-Size-Shop, einen Multi-Channel-Shop, sowohl online als auch offline. Wir haben dann schon angefangen Instagram zu befüllen und waren eben bereits als Brand irgendwie virtuell da. Und dann gab‘s irgendwann den Punkt, wir hatten den Businessplan fertig, wir waren selbstbewusst, sind zur Investitionsbank gegangen und haben gesagt: „So, wir brauchen Geld. Wir haben diese geniale Idee“. Das hat dann auch geklappt. Wir haben Geld bekommen und dann ganz konservativ eine GmbH gegründet. 2016 haben wir dann den Les Soeurs Shop am 5. März offiziell eröffnet in einer Ladenfläche am Savignyplatz.
Untrennbar: Retail-Store und Onlineshop
Manuel: War euch klar, dass ihr gleich ein Retail-Geschäft auch wieder macht? Ist das einfach nötig bei Mode?
Selbst wenn der Trend die letzten Jahre zum Onlineshop geht, war uns klar, dass es ein riesiges Gut ist, den Menschen vor sich zu haben und ihm eine persönliche Beratung anzubieten.
Jasmin: Wir haben immer zweischienig gearbeitet. Auch bei der Finanzplanung war der Onlineshop an sich mit hohen Umsätzen berechnet. Wir haben aber auch gesagt, wir wollen trotzdem einen Concept Store in Berlin haben, um einfach auch etwas Haptisches zu haben. Zum einen braucht man sowieso auch ein Büro und wir mögen Menschen, wir mögen es, in Kontakt mit Menschen zu sein, wir mögen es, die Leute zu beraten. Dadurch war diese Kombination von vornherein klar. Selbst wenn jetzt der Trend die letzten Jahre zum Onlineshop geht, war uns klar, dass es ein riesiges Gut ist, den Menschen vor sich zu haben und ihm eine persönliche exzellente Beratung anzubieten. Aber das auch immer ganz klar gekoppelt mit mehreren Social-Media-Verknüpfungen und Onlineshop-Verknüpfungen. Dazu zu sagen ist, dass wider Erwarten der Retail Store immer viel mehr Geld eingebracht hat, von vornherein. Du hast im Prinzip eine Null-Prozent-Return-Rate.
Das Herzstück: der Retail-Store von Les Soeurs
Manuel: Das heißt, euch war klar, ihr müsst zweigleisig fahren und habt auf jeden Fall von Anfang an Onlineshop gleich mitgedacht?
Das ist für uns das Bild zur Außenwelt. Das ist wie eine Visitenkarte.
Jasmin: Genau. Wir haben aber auch echt einen Aha-Effekt bekommen, dass wir mit einem Onlineshop nicht hätten überleben können. Wir brauchen beides. Das ist eben für uns auch das Bild zur Außenwelt. Das ist wie eine Visitenkarte. Viele unserer Kunden kommen konkret rein und sagen, ich habe auf eurer Webseite dieses Teil gesehen, das will ich jetzt ausprobieren. Dann wird das anprobiert und es sitzt und es wird mitgenommen und dann werden aber noch fünf andere Teile mitgenommen.
Manuel: Seid ihr direkt bei Shopify gelandet? Habt ihr da verschiedene Sachen ausprobiert?
Jasmin: Als ich keine Lust mehr hatte auf die Mode, bevor ich wieder mit Julia zusammengekommen bin, habe ich gesagt, ich gehe komplett ins Online-Marketing, in die digitale Kommunikation. Ich habe dann überlegt, diesen Master an der UdK für Leadership in digitaler Kommunikation zu machen und bin dann erst mal in Agenturen gegangen. Dann bin ich auch bei einer Online-Marketing Agentur gelandet. So hatte ich dann diese ganzen SEO-Tools plus AdWords et cetera gesehen und war dann heiß, weil ich dachte, jetzt verstehe ich, egal welches Produkt im Internet sichtbar machen kann. Wir hatten in der Agentur mit WordPress gearbeitet und am Anfang habe ich diesen ersten Les Soeurs Shop-Auftritt auf der WordPress Seite gemacht. Es war aber klar, wir brauchen ein Shopsystem. Da hatte Julia schon ihre Vorerfahrungen in dem Store, in dem sie vorher gearbeitet hat. Die haben Shopify genutzt. So sind wir dazu gekommen und haben uns tatsächlich nur für Shopify interessiert.
Manuel: Wieviel eures Geschäfts läuft über den Online-Markt und wieviel übers Ladengeschäft?
Shopify ist für uns das Fundament, auf dem unser Unternehmen steht.
Jasmin: Ich sage dir erst mal, wie viel Arbeit wir in den Onlineshop und das Shopsystem stecken: Ungefähr 85 % unserer Zeit liegt in Shopify. Aber es ist auch unser Multi-Channel-Kanal. Jetzt durch Corona ist das natürlich noch mal eine andere Sache, und es ist auch nicht abzuschätzen, wie wir nach Corona stehen, aber es war vorher so, dass wir circa 20 % online gemacht haben und 80 % im Store. Beides ist unabdinglich. Und weil wir ja auch Apps im Shop verknüpfen, z.B. das Loyalty Program, ist es wie ein Fundament. Shopify ist für uns das Fundament, auf dem unser Unternehmen steht.
Manuel: Also euer zentrales Tool sozusagen.
Jasmin: Genau. Das ist unabkömmlich.
Wie ein Modemagazin: der Onlineshop von Les Soeurs setzt Plus-Size-Mode in Szene
Manuel: Warum war euer Business denn immer noch so eine Nische? Es gibt doch Menschen in allen Größen und Längen und Breiten. Warum braucht es immer noch diese speziellen Geschäfte?
Jasmin: Es ändert sich schon ein bisschen. Als wir gestartet haben, hatte Zalando keinen klaren Kanal für Plus-Size. Man konnte dieses Plus-Size-Segment kaum finden. H&M hatte eine minikleine Ecke, die kleiner war als die Mama-Ecke. Das hat sich verändert. Zalando hat eine sehr starke Plus-Size-Kollektion in der Zwischenzeit, H&M hat eine sehr große H&M Plus-Size-Kollektion. Dann haben wir unglaublich viele Blogger, die über Instagram und Co. plötzlich ihre Kurven zeigen konnten. Es ist leider immer noch sehr stark online-lastig. Warum sich nicht noch mehr Menschen auf der Welt trauen einen Shop aufzumachen wie wir, ist tatsächlich fraglich. Wir haben natürlich in unserer Zeit Brands gehabt, die sich damit selbstständig machen wollten oder anfragten: „Wir wollen auch so einen Shop haben wie ihr. Könnt ihr ein bisschen erzählen, wie ihr das so macht?“
Das Gefühl innerhalb dieser Curvy-Szene ist auf jeden Fall gewachsen.
Das sehen wir ja auch, dass eben auf Magazinen nicht mehr nur Größe 34 abgebildet ist, sondern auch Größe 40. Aber wenn man jetzt mal die Mode nimmt, ich rede jetzt von Chanel, Yves Saint Laurent und all diesen großen Marken, da ist das nur ein Nebenthema. Da werden immer noch die 16-Jährigen ohne irgendwelche Formen in diese Teile gezwängt. In der wirklichen Fashion-Szene sind Curvys schon eine Minderheit. Plus, es ist auch eine starke Männerdomäne, die in den Chefetagen der großen Unternehmen sitzen. Und dadurch dauert das entweder noch lange oder es passiert nie im kompletten Luxurious-Bereich. Im Mainstream ist es schon stark angekommen.
Trend zu Online? Retail wird unterschätzt!
Manuel: Ich kann mir vorstellen, dass wenn man die Bevölkerungsschicht anguckt, dass diese „normalen“ Größen gar nicht den Großteil der Bevölkerung ausmacht. Warum passiert da nicht ein Shift hin zu diesen eher größeren Sizes?
Jasmin: Ich glaube, da kommen zwei Dinge zusammen. Zum einen ist es eine Entscheidungsfrage und eine Kostenfrage. Viel Warenangebot kostet viel Geld. Es ist eben auch so ein bisschen eine strategische Frage: Lohnen sich die Kosten für die Erweiterung unseres Shops, wenn die Menschheit sowieso immer mehr online shoppt? Das ist dieser eine Grund. Julia und ich, wir genießen diese Chance. Wir können das nicht fassen, dass Retail-Shops nicht verstehen, dass es eigentlich völlig verlorenes Potenzial ist, wenn du nicht berätst, wenn du nicht dem Kunden vor der Nase stehst, ihn anlächelst, ihn anguckst, ihm sagst, die und die Hose wäre jetzt optimal.
Dieses Potenzial ist völlig unterschätzt.
Manuel: Der Modemarkt steht ja eh vor einer riesigen Umbruchsituation gerade. Retouren sind ein Riesenproblem, das fehlende Beratungsgeschäft, dieses ganze Nachhaltigkeitsthema - das sind Riesen-Umbruchstellen.
Jasmin: Natürlich, also genau. Die Modebranche steht sehr stark vor einer großen Herausforderung, angefangen davon, dass sie 16 Kollektionen im Jahr rausbringen müssen und einfach Preise dumpen, bevor überhaupt die Saison anläuft. Da ist ganz, ganz viel kaputt. Und man darf nicht vergessen, die Bekleidungsbranche gehört mit zu einer der größten Umweltverschmutzer. Darüber reden viele auch nicht gern.
Manuel: Ist das bei euch denn auch Thema, wie macht ihr Mode, was Nachhaltigkeit und Fairness angeht?
Jasmin: Wir haben von Anfang an gesagt, weil wir ja auch Designer sind und weil wir Schnitte können, wir bringen die „Loved by Les Soeurs“ Shop-Kollektion mit rein. Das ist unsere Eigenkollektion. Wir kaufen Kollektionen ein, die sind nicht alle Fair Trade oder nicht alle so nachhaltig wie wir das gerne wünschen, weil wir auch ganz stark von der Auswahl dieses Segments abhängig sind. Also da gibt es style-technisch auch dramatische Unterschiede. Wir müssen eh schon die Rosinen rauspicken. Und wir haben die Eigenkollektion, die wird zu 99 % in Berlin produziert. Die funktioniert sehr gut und die ist innerhalb von kurzer Zeit die beste Marke geworden in unserem Laden. Wir sind immer auf der Suche und gucken, aber es gibt einfach nicht genug Möglichkeiten.
Plus-Size im Wachstum
Manuel: Ihr versucht natürlich auch zu wachsen. Wie geht ihr das an? Ich habe auf der Webseite gesehen, dass ihr jetzt auch eine Kategorie „Wohnen“ habt. Sind das erste Versuche zu expandieren?
Das Spannende ist, wir werden überall gebraucht.
Jasmin: Nein, das ist nicht der Hintergrund. Das ist es eher, um unsere Welt zu präsentieren. Also zum einen Concept Store, wir haben auch von Anfang an Schuhe angeboten. Diese dann immer wieder rausgenommen, weil es auch nicht ganz so einfach ist, bei uns Schuhe zu verkaufen. Wir bieten so ein bisschen alles an. Unsere Schmuckauswahl ist sehr schön, wir haben immer spannende Taschen, wir haben spannende Wohnartikel, Wohnaccessoires. Wir versuchen einfach unabhängig von der Kleidung auch diesen Lifestyle, den man damit verbindet, zu präsentieren. Damit kommen natürlich auch viele andere Leute in unseren Shop.
stylishe Plus-Size-Mode ist auch Ausdruck von Selbstliebe
Manuel: Aber du hattest ja trotzdem angesprochen, dass ihr über Wachstum nachdenkt. Was bedeutet das denn für dich?
Jasmin: Wir planen neue Shops aufzumachen, wir werden als nächsten Shop einen Vintage-Shop aufmachen. Das heißt, da sprechen wir dann auch wieder das Thema Nachhaltigkeit an. Was passiert mit den Klamotten, die du nicht mehr anziehst? Das soll ein cooler Plus-Size / Curvy Conzept / Vintage-Shop werden. Und dann hatten wir auch schon Pop-up-Shops in Hamburg. Das Spannende ist eigentlich, wir werden überall gebraucht.
Es ist so spannend, coole Sachen für Frauen auszuwählen, die sonst eher keine Chance habe, sich auszudrücken.
Wenn Julia und ich nicht gerade noch relativ kleine Kinder hätten, dann hätten wir wahrscheinlich schon längst unseren Bus mit unseren Klamotten vollgepackt und wären in die ganze Nation damit gefahren, wenn nicht sogar weiter nach Paris und Co. Es ist so spannend, coole Sachen für Frauen auszuwählen, die sonst eher keine Chance habe, sich auszudrücken. Jetzt hatten wir eigentlich für dieses Jahr den nächsten Shop geplant, aber dann kam Corona dazwischen. Ich hoffe, dass es nächstes Jahr möglich sein wird.
Manuel: Ist es dann so eine Art Franchise oder wollt ihr das dann alles selbst machen?
Jasmin: Aktuell ist es tatsächlich wirklich unter unserer Obhut, einfach weil da auch so viel Psychologisches, unterschwellige Identity mitfließt. Für Franchise sind wir tatsächlich noch zu klein, um das so einfach zu transportieren. Für jeden Shop, der neu aufgemacht wird, muss derjenige auch erst mal bei uns in Berlin arbeiten, um zu verstehen, wie die Ansprache ist. Bei uns wird jeder persönlich angesprochen und gefragt, ob geholfen werden kann.
Wir sind sehr nah am Kunden.
Es ist auch wichtig so. Nicht jeder kennt die ganze Kollektion und viele sind auch entweder überfordert oder wissen nicht genau, wie sie sich stylen sollen und wollen an die Hand genommen werden. Das eben ist in einem Franchise-Konzept auf diese Art und Weise, wie wir das machen, nicht möglich. Wenn man unsere Ratings anschaut, lieben die Leute, was wir tun und wie wir das tun. Bei Instagram macht Lena, unsere Kollegin, die ganzen Storys und zeigt, was es Neues im Laden gibt. Sie beschreibt die Dinge mit einer hochgradigen Expertise, dass man wirklich fühlen und verstehen kann, was das für ein Teil ist. Danach wird bestellt oder die Leute kommen rein und wollen genau das haben. Das sind alles subtile Eigenschaften, die wir mitbringen.
Der Instagram-Account von Les Soeurs
Manuel: Für ein Franchise muss man natürlich sehr, sehr viel Vorarbeit leisten.
Jasmin: Richtig. Klar kann man die Leute schulen, aber man muss trotzdem einfach am Anfang bei einer Expansion noch dabeibleiben. Wir haben auch viele komplizierte Menschen, auch unsere Altersgruppe. Es fängt so bei 26 an und dann geht das bis über 80. Vom Style her wir sehr breit aufgestellt. Der Mensch läuft rein und man denkt dann, der ist komplett anders als der andere und der braucht und will was anderes. Das muss man können.
Ein Modeunternehmen in Deutschland gründen
Manuel: Würdest du sagen, das kann jede:r - gründen in Deutschland? Muss man da eine spezielle Veranlagung für haben?
Jasmin: Dadurch, dass ich ja auch schon viel im Ausland gelebt habe, glaube ich, in Deutschland kriegst du eigentlich alle Informationen, wenn du weißt, wie du danach suchen musst. Wenn du es schaffst, das, was du dir vorstellst oder was du gerne hättest, gut runter zu brechen oder gut zu formulieren, kann eigentlich jeder Gründer werden.
Es geht nicht nur darum, Gründer zu werden, sondern auch Gründer zu bleiben.
Da ist es eben auch gut, genau zu sein. Als Julia und ich damals bei der KfW standen und wir uns unsere erste Beratung eingeholt haben, saß da so ein alter Mann, und der sagte tatsächlich zu uns, als er unsere Zahlen angeguckt hat, „Ach, ihr Frauen, ihr seid ja immer so konservativ vorsichtig mit euren Zahlen“. Wir konnten es nicht fassen, wie der uns vernichtet hat, nur weil wir nicht groß auf die Kacke gehauen haben. Wir hatten anhand der Zahlen, die wir so aus den Retail hatten, runtergebrochen, was umsetzbar ist. Und: Es stimmte. Wenn nicht großkotzig wirst und anfängst, irgendwie Autos zu kaufen von dem Geld und geduldig bist am Anfang, kann das jeder werden.
Manuel: Also wenn man gründen will, dann geht das schon ganz gut in Deutschland? Es ist jetzt nicht so, dass du sagst, in Amerika ist das alles so viel einfacher?
Jasmin: Nein. Auf keinen Fall. Also ich persönlich hätte mich nicht getraut, in den USA was zu eröffnen. In Deutschland muss man halt seine Hausaufgaben machen. Also wirklich überlegen: Gibt es für das, was ich umsetzen will, einen Markt? Wer ist meine Zielgruppe? Wieviel kostet mich all das, was ich dafür brauche? Wir haben uns auch von Anfang an gleich Gehalt ausgezahlt. Wir sind Angestellte unserer GmbH. Das muss man halt auch mit einberechnen. Und dann versucht man eben, die Fixkosten unten zu halten, damit du zumindest immer über das kommst. Der Rest, ob du da jetzt erst mal Gewinn machst oder nicht - natürlich die Wareneinnahmen, also Wareneinkäufe müssen mit drin sein - aber das ist sozusagen die Basis. Dann kann man auch relativ schnell zumindest auf die ersten Tausender kommen, um diese Fixkosten abzudecken. Und dann kann man ja schon stolz sein. Weil wir damals auch schon unser Herrenlabel hatten und eine Website, haben wir sozusagen schon eine Plattform gehabt. Als wir eröffnet hatten, hatten wir schon Kunden.
Manuel: Man hat einen ganz anderen Anlauf, als wenn man früher einfach ein klassisches Ladengeschäft aufgemacht hat.
Jasmin: Genau. Auch diese Finanzkanäle, Shopify bietet ja auch total viele. Ich liebe Shopify. Ich bin, glaube ich, bestimmt dreimal die Woche in diesem Help Chat. Es ist immer so eine Expertise und es gibt so viele Erneuerungen und es ist einfach supersmart. Ich finde, man kann total gut da drin wachsen. Das ist so einfach.
Manuel: Wenn du jetzt noch mal zurückblickst auf die Anfangsphase, gibt’s irgendwas, was du vielleicht anders gemacht hättest?
Es war von Anfang an klar, dass es wichtig ist, dass andere über uns sprechen
Jasmin: Lustigerweise nein. Wir haben von Anfang an Events gemacht. Das war auch wichtig, damit man über uns spricht. Bevor wir unseren Laden aufhatten, haben wir die ganzen Blogger kontaktiert und getroffen. Wie gesagt, ich bin ja auch aus diesem Online-Marketing, SEO, wie Google denkt - da komme ich ja her. Das heißt, es war von Anfang an klar, dass es wichtig ist, dass andere über uns sprechen. Wenn wir manchmal unseren Businessplan angucken, der genauso gelaufen ist, wie wir uns das vorgestellt haben – das ist echt verrückt. Außer mit Corona natürlich.
Die Auswirkungen von Corona auf Les Soeurs
Manuel: Aber seid ihr da gut durchgekommen? Es ist noch nicht vorbei, aber habt ihr es im Griff?
Wir können Krise.
Jasmin: Ja, das war auch richtig interessant. Ich habe von Anfang an gesagt, wir können Krise. Das war mein Hashtag. Zuerst mal dachte ich: „Shit! Insolvent. That’s it. Wir müssen den Laden zumachen“. Also Laden dicht und die Umsätze waren nicht über den Onlineshop zu generieren für all diese Fixkosten. Dann haben wir alles hochgefahren, wir haben Online-Strategien aufgebaut und Versandkosten runtergefahren. Lena war die, die unsere Social Media macht, sie produzierte eine Story nach der anderen. Und einfach volle Power in den Onlineshop. Weil wir auch Boxen recyclen, das ist ein Teil von unserer Nachhaltigkeit, bin ich dann überall hier in meiner Nachbarschaft rumgedüst: „Habt ihr leere Boxen? Wir brauchen die“. Und bin immer in den Shop und habe da à la Zalando Boxen gepackt. Damit konnten wir diese ganze Lockdown-Situation heil überstehen. Rabatte haben wir natürlich auch rausgehauen. Das war sinnvoll. Wir sind heil durchgekommen und wir sind auch tatsächlich bis September 5 % unter dem Vorjahresumsatz. Das ist okay. Jetzt wird es noch mal mit dem November ein bisschen härter und wir können ja nicht den Dezember abschätzen.
Manuel: Und logistisch, hattet ihr da irgendwie Probleme mit Lieferkettenunterbrechungen?
Jasmin: Da diese Kollektionsteile schon vor Corona produziert worden und die Flüge auch mit Ware transportiert worden sind, kam das alles auch an. Wir hatten dann schon Sorge, wie es dann Ende des Jahres aussieht und es gab auch einige Stornierungen. All unsere Händler sind so flexibel, so groß und professionell, dass sie noch Kollektionen dazwischen hatten oder irgendwas gemacht haben, dass wir eben im B2B nachbestellen konnten. Und unsere Kollektion lief weiterhin groß, wir haben ja hier unsere Produktion in Berlin. Das heißt, da konnten wir dann weiterhin auch unsere Kunden mit Eigenkollektionen bedienen.
Manuel: Dann drücke ich weiterhin die Daumen, dass ihr durch den Winter und durch diese zweite Welle unbeschadet kommt und dass wir in Zukunft sehr viele weitere Retail Stores von euch in ganz Deutschland sehen.
Jasmin: Danke. All denen, die diesen Podcast hören und vielleicht mit dem Gedanken spielen, sich selbständig zu machen, kann ich Shopify mit Warenwirtschaftssystem nur empfehlen. Das ist ein super System. Und ich drücke auf jeden Fall die Daumen – jedem, der irgendwie eine gute Idee hat.
Manuel Fritsch ist der Moderator des Shopify Podcasts. 2000 gründete Manu sein erstes Unternehmen und arbeitete 15 Jahre in der Agenturwelt. Seit 2015 ist er als freiberuflicher Spielejournalist für Fachmagazine, Zeitungen und seinen eigenen Podcast mit inzwischen über 2.500 Folgen tätig.Aber macht eure Hausaufgaben!
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