Wir haben alle Akkus wieder voll aufgeladen und starten in die dritte Folge der zweiten Staffel unseres Shopify Podcasts. Diesmal sind wir in München und sprechen mit Andy Weinzierl von SUSHI Bikes. Lasst euch von dem Namen nicht in die Irre führen – es geht nicht um einen Lieferservice für asiatische Reisröllchen! SUSHI Bikes ist ein E-Bike-Unternehmen, das Andy gemeinsam mit Joko Winterscheidt zum Laufen gebracht hat. Die Mission: bezahlbare E-Bikes unter €1.000 anbieten, die so gar nichts mehr mit den spießigen Fahrrädern gemein haben, sondern durch einen sportlichen Rennradcharakter überzeugen.
Wie SUSHI Bikes damit für eine flexiblere, grünere Stadtmobilität sorgen will, wie Joko zum Unternehmen kam und warum der gestohlene Prototyp nur eine von vielen Herausforderungen war, erzählt Andy in dieser Podcastfolge.
Die komplette Transkription dieser Folge findest du hier.
Show Notes
- Store: SUSHI Bikes
- Social Media: Facebook, Instagram
Sushi mit Joko Winterscheidt
Manuel Fritsch: Im ersten Moment denkt wahrscheinlich erst mal jeder an einen Delivery Service für Reis - habt ihr oft mit dieser Verwechslung zu tun?
Andy Weinzierl: Du wirst lachen, aber es haben auch schon Leute hier angerufen und gefragt, ob sie Sushi bestellen könnten. Der Name ist tatsächlich ein bisschen provokant und irreführend. Wäre das jetzt ein Marketing-Podcast, in dem ich erzählen müsste, wie wichtig so ein Brand-Name ist, dann könnte ich wahrscheinlich schön was zusammenreimen, von wegen Sushi-Rollen und Sushi-Fahrräder und Fahrräder rollen und so. Oder Sushi ist hochwertig und urban, das sind wir auch. Aber die Tatsache ist einfach, dass wir das sehr witzig fanden. Wir hatten bei der nach einem fahrradspezifischen Namen kein glückliches Ergebnis und haben dann gesagt, wir sitzen hier grad zusammen beim Sushi, wir nennen es SUSHI Bikes.
Ich möchte was verändern und nachhaltige Mobilität cooler machen. Ich glaube, in dem Moment hatte ich ihn.
Die Strippenzieher hinter SUSHI Bikes - Joko Winterscheidt und Andy Weinzierl
Manuel: Du hast jetzt immer von „wir“ geredet, wer ist denn der Zweite hinter dem Wir?
Andy: Es stand in ein, zwei Zeitungen, dass der Herr Joko Winterscheidt das Ganze mit mir gegründet hat. Als Vorgeschichte: Er kam wahnsinnig früh dazu. Ich habe die Idee irgendwann Mitte 2018 gehabt, habe dann den Prototypen gebaut und den zweiten gebaut, weil der erste sofort gestohlen wurde. Es war eine sehr turbulente Reise, aber alles in einem sehr kurzen Zeitraum. Vier, fünf Monate nach der Idee kam ich mit Joko in Kontakt, und habe ihm das Ganze einfach vorgestellt und gesagt, schau mal, daran arbeite ich gerade und ich möchte was verändern und nachhaltige Mobilität cooler machen. Ich glaube, in dem Moment hatte ich ihn, und wir haben uns einfach sehr gut verstanden. Dann hat er sich, obwohl absolut noch nicht unterstützungsfähig in dem Status des Unternehmens, dazu bereiterklärt, den Weg mit mir zu gehen.
Manuel: Man weiß ja von Joko, dass er gerne in junge Unternehmen investiert, er hat ja auch Sendungen moderiert, bei denen es um Start-ups geht. Ist darüber der Kontakt zustande gekommen?
Andy: Nee, gar nicht. Ich wäre wahnsinnig gerne mal in der ProSieben-Sendung „Das Ding des Jahres“, da waren wir aber leider noch nicht. Aber man kennt tatsächlich sehr viele Menschen über ein paar Ecken. So habe ich auch irgendwie Joko über einen mehr oder weniger gemeinsamen Bekannten kennengelernt, weil ich mein Bild von dem Prototypen einfach ganz wild rumgeschickt habe. Ich habe nämlich davor mal was gegründet und wir haben ein Jahr lang im Geheimen getüftelt und gedacht, niemand darf davon hören. Das ist die Idee, und wenn uns das einer kopiert, dann war alles umsonst. Im Nachhinein waren wir einfach zu langsam und hätten mal viel öfter rausgehen sollen und Leute fragen. Das hatte ich mir für dieses Projekt vorgenommen und habe das an andere Gründer, Bekannte und Freunde geschickt. Dadurch hat es den Joko dann erreicht, durch die Weiterleitung.
Manuel: So eine frühe Zustimmung und so ein frühes Investment ist ja dann auch gleichzeitig eine Bestätigung, dass du auf das richtige Pferd gesetzt hast, oder?
Andy: Am Ende ist das alles ein Riesenglück. Es war eine Bestätigung, natürlich, aber auch irgendwo ein Druck, auch wenn er den nie ausgeübt hat. Ich selbst mach mir den. Ich hatte noch nie Fahrräder produziert. Es gab kein Team, ich war zu dem Zeitpunkt allein und hatte nichts vorzuweisen und wusste nicht, kann ich wirklich Fahrräder bauen? Ich habe zwar alles perfekt geplant, aber was ist, wenn es schiefgeht?
Lesetipp: Hier gelangst du zu unserem ultimativen Guide für Influencer Marketing im E-Commerce.
Die ersten Gründererfahrungen und Papas E-Bike
Manuel: Was hast du vorher gemacht und wie bist du auf die Idee gekommen, E-Bikes neu zu denken?
Andy: Ich habe Wirtschaftsingenieurwesen in München studiert. Währenddessen die typischen Konzernstationen gemacht, die man in München machen muss. Ich habe währenddessen aber schon immer so ein bisschen getüftelt. Vor dem Studium hatte ich ein kleines Online-Magazin, das ich parallel zu meiner Ausbildung bei dem Autobauer gemacht habe. Da habe ich Fertigungsmechaniker gelernt und nebenbei einen WordPress Blog aufgesetzt, wo am Ende 35 junge Leute mitgeschrieben haben. So ging die Reise los und ich habe gesehen, wie cool es ist, Geld zu verdienen mit etwas, das man selbst geschaffen hat. Das war das dritte Bein neben Uni, ich habe scheinbar schon immer versucht, irgendwo selbst Geld zu verdienen in einer selbstständigen Art und Weise. Als wir dann da die erste Werbeanzeige geschalten haben für, ich glaube, 50 Euro, habe ich mir gedacht, jetzt haben wir es geschafft! Es wurde nie wirklich mehr Geld in diesem Online-Magazin, aber das war der Auslöser für mehr.
Diese E-Bikes haben so gar nichts Spießiges mehr an sich - sie überzeugen mit Rennrad-Charakter
Während dem Studium habe ich dann mit einer kleinen Influencer-Plattform gestartet, die auch nie so richtig funktioniert hat, wir haben den Markt nie verstanden. Aber wir haben erkannt, dass Influencer-Marketing wahnsinnig wild ist. Das waren die ersten Gründungserfahrungen.
Ich bin das E-Bike von meinem Papa gefahren und habe ihn natürlich extrem ausgelacht.
Ich habe dann noch für ein Start-up hier in München gejobbt, bevor ich für den Master nach England gegangen bin. Ich habe während der Pendelzeit in München zu diesem Start-up gemerkt, dass es mich nervt zehn Kilometer mit dem Fahrrad durch die Stadt zu fahren. Wenn ich acht Stunden in der Arbeit sitze, möchte ich dort nicht schon in der Früh so leicht verschwitzt sein. Ich bin dann in Schwabing mal das E-Bike von meinem Papa gefahren und habe ihn natürlich extrem ausgelacht, dass er sich jetzt mit knapp 50 ein E-Bike holt. Allerdings habe ich feststellen müssen, dass es schon ganz schön cool ist und genau mein Problem lösen könnte. Ich habe ihn gefragt, was es gekostet hat und bin erschrocken. Dann habe ich geschaut, ob es irgendwas in der Preisklasse für 1000 Euro gibt. Gab’s alles nicht, vor allem nicht in einem campus-fähigen Design, dass ich damit zur Uni fahre, ohne die gleichen Sprüche zu bekommen. Mit den zwei Werten bin ich losgegangen und habe gedacht, ich baue mir da selbst was zusammen. Sehr naiv.
Ich wollte wirklich nicht wieder gründen.
Manuel: Aber wirklich erstmal nur mit dem Gedanken, das für dich zu machen?
Andy: Absolut. Ich wollte wirklich nicht wieder gründen, weil ich das für mich abgeschrieben hatte. Nach dem Influencer-Marketing-Ding dachte ich mir, Gründen ist was für andere, ich werde mein Konzern-Life machen. Ich kam über mein eigenes Problem und im Nachhinein gesehen, ist das unvergleichbar, weil man dann einen entsprechenden Antrieb entwickelt. Ich will das haben, also werde ich alles dafür tun.
Die Herausforderung: Ein E-Bike unter 1000 Euro bauen
Manuel: Was sind denn die Faktoren, wie du dein Ziel erreicht hast?
Andy: Ich bin dann auf die großen Hersteller zugegangen, also in Deutschland speziell oder in Europa gibt es ein paar Marktführer, die die Systeme bauen. Bosch ist da ein ganz bekannter Player. Da habe ich rumgefragt, auf Messen oder per Telefonat einfach: „Was macht eure E-Bikes eigentlich so teuer? Warum kosten diese Systeme so viel?“. Mir wurde immer wieder erzählt, der Motor, aber hauptsächlich die Batterie sind so wahnsinnig teuer. Ich habe mich dann reingefuchst und mir angeschaut, wie wird eigentlich so ein Akku gebaut? Warum ist der so teuer? Was kosten diese einzelnen Zellen? Da hat sich dann rausgefiltert, wo wir ein bisschen sparen können. Brauchen wir überhaupt 100 Kilometer Reichweite plus? Wenn wir nur in die Arbeit pendeln, dann reicht es mir doch theoretisch, wenn ich 50 Kilometer Reichweite habe. Und durch dieses Design wird natürlich auch viel weggelassen, weil es minimalistisch ist und weil es ausreicht. Auch das spart irgendwo Kosten.
Manuel: Da habt ihr euch dann auch inspirieren lassen von diesem Stadttrend, oder, dass die Fahrräder keine Gangschaltung mehr haben?
Andy: Genau. Wenn man sich in der Stadt bewegt, von null bis 30 km/h, recht viel schneller wird man in der Stadt normalerweise nicht, dann reicht ein Gang vollkommen aus. Wenn wir uns dafür wahnsinnig viel Komplexität und Kosten sparen können, ist das ein Mega-Deal. Dazu habe ich einfach Single-Speed schon immer geliebt und alte Vintage-Rennräder. All das hat sich dann in SUSHI vereint.
Manuel: Das kam dir natürlich sehr entgegen, weil du den Preis unter 1000 Euro drücken wolltest. Musstest du irgendwelche Kompromisse eingehen, wo du dachtest, das ist unmöglich zu erreichen?
Das war mein absolutes Maximum, Hauptsache noch dreistellig!
Andy: Ich erzähle dir jetzt was, was ich bisher glaube ich erst einmal erzählt habe. Bei einem Universitäts-Talk habe ich einen Screenshot gezeigt und geschrieben: „Hey, meinst du nicht, dass es möglich ist, ein E-Bike für 200 Euro zu bauen? Einfach nur ein normales Fahrrad, ein bisschen Unterstützung, kein Schnickschnack, Stahlrahmen zusammenschweißen.“ Nur, um dir ein Gefühl zu geben - meinen Zielpreis habe ich nicht erreicht. Ich bin sehr, sehr naiv rangegangen und habe gedacht, wir ändern alles und bieten das für einen super günstigen Preis an. Totaler Quatsch. Du kannst fast nirgends sparen, jedes Teil muss qualitativ hochwertig sein oder zumindest obere Mittelklasse, ansonsten macht Fahrradfahren keinen Spaß. Und dann treibt sich der Preis in die Höhe, und dass er jetzt bei 999 Euro liegt, hat damit zu tun, dass es wahrscheinlich teurer sein müsste, ich aber eine magische Grenze sehe und ich persönlich nicht verkraftet hätte, wenn das dann doch mehr kostet. Das war mein absolutes Maximum, Hauptsache noch dreistellig!
E-Bikes für weniger als 1000 Euro? SUSHI Bikes haben diese Mission erfolgreich umgesetzt
Manuel: Was waren die ausschlaggebenden Argumente, um doch wieder zu gründen? Der Moment, wo du gespürt hast, da steckt mehr dahinter, als es nur für dich zu bauen?
Andy: Der Moment ist tatsächlich entstanden, als zwei, drei Freunde nach einer Probefahrt zu mir gesagt haben „Das würde ich sofort kaufen. Wenn das irgendwo zwischen 700 und 900 Euro kostet, kaufe ich es mir“.
Der geklaute Prototyp und die glückliche Fügung
Manuel: Das war dann schon ein Prototyp, den du dir dann schon so zusammengesteckt hast?
Andy: Genau. Das ist ein Teufelsgerät, der hängt jetzt hier noch an der Wand im Büro. Aber trotzdem hat er überzeugt und ich glaube, das hat mir dann die Motivation gegeben. Selbst mein Papa hat gesagt, „Wenn es das gegeben hätte, hätte ich das gekauft und nicht irgendwie das 2.500 Euro Ding, das ich mir gebraucht geschossen habe“.
Manuel: Wie ging es denn dann weiter, wie lange hat es gedauert, bis das Ding ausgeliefert wurde von der Gründung bis zur Auslieferung des ersten SUSHI Bikes?
Da ist eine Welt zusammengebrochen!
Andy: Die Idee kam ungefähr im Mai 2018, erstes Bike ausgeliefert im Februar 2020, also eineinhalb Jahre grob. Wie ist das Ganze entstanden? Die Story klingt wie aus einem Film, aber ich hatte diesen ersten Prototypen und wir sind damit zum Shooting gefahren. Da war er das erste Mal auf der Straße und die Freunde sind alle gefahren. Wir haben dann Mittagspause gemacht und wollten eben diese Fotos kurz anschauen. Und in dem Moment in der Mittagspause wurde es uns gestohlen tatsächlich. Da ist eine Welt zusammengebrochen! Aber manchmal braucht man sowas wahrscheinlich, um danach eine coole Geschichten zu erzählen. Aber in dem Moment war ich nicht zu halten und da kommt man emotional schon an Grenzen.
Neun Monate später hat mich die Polizei angerufen, hat gesagt, hier ist ein Prototyp. Ich hatte ihn schon abgeschrieben gedanklich. Das Positive an der Geschichte war, ich habe wahnsinnig schnell ein neues Bike gebraucht, weil ich eine Messe gebucht hatte, auf die ich günstig durfte. Da wollte ich das erste Mal das Modell zeigen und Unterschriften einsammeln von denjenigen, die Lust darauf hätten. Ich hatte in dem Moment einfach gar nichts mehr. Also musste ich schnell einen Lieferanten finden, der mir noch mal einen neuen Prototyp baut. Also habe ich Gas gegeben. Es gab wahnsinnig viele E-Mails und Telefonate, ich habe Messen besucht, und dort sehr lange evaluiert, wer der richtige Partner wäre. Der, der den Prototyp dann innerhalb von drei Wochen irgendwie zusammengeschustert hat, ist heute noch unser Lieferant und wir sind wahnsinnig happy damit.
Manuel: Wo und wie produziert ihr jetzt?
Andy: Wir montieren inzwischen in China, in der Nähe von Shanghai bauen wir die Fahrräder. Ich war auch öfter vor Ort, auch das ist wichtig, und haben Ansprechpartner, die uns da ständig versorgen mit Informationen, mit Fotos, mit Video-Calls. Dass wir sicherstellen können, dass wirklich alles sauber läuft. Ich meine, wir sind uns der Kritik bewusst, dass es immer wieder Zweifel in Richtung Arbeitsbedingungen gibt. Also bin ich hin und habe es mir angeschaut relativ kurzfristig. So lernt man das alles dazu.
Der Markenaufbau: SUSHI und Shopify
Manuel: In Deutschland hast du dann die Firma weiter ausgebaut. Also hast du dich dann schon getraut, irgendwie mehr Leute einzustellen?
Andy: Tatsächlich war ich bis Januar 2020 komplett alleine an dem Projekt. Die ersten anderthalb Jahre waren natürlich mit Joko und Mentoren im Umfeld, aber diesen operativen Weg, der war schon alleine. Nachdem wir den Namen gefunden und all das in die Wege geleitet haben, wollten wir im Juli 2019 das Ding der Welt zeigen oder erst mal Deutschland zeigen. Das haben wir auch geschafft, dass wir Ende Juli online gegangen sind.
Manuel: Seid ihr direkt bei Shopify gelandet oder habt ihr auch andere Sachen ausprobiert?
Andy: Nein, gar nicht. Es kam aus dem Mentoren-Kreis der Hinweis und das wurde mir dann noch zweimal von erfolgreichen Gründern von Onlineshops bestätigt. Auch im Hinblick auf Skalierung - ich hatte so ein bisschen Angst, was passiert, wenn wir irgendwann eine Riesen-Produktpalette haben, kriegen wir das da alles schön abgebildet? Ich kannte irgendwie nur WordPress und minimalste HTML-Kenntnisse. Gibt es Agenturen, die Shopify können? All das waren Beweggründe, aber das hat sich dann relativ schnell geklärt und für mich stand da gar nicht mehr wirklich was zur Debatte.
Manuel: Das heißt, ihr hatte dann die Webseite fertig, und dann konnte man schon bestellen? Wie habt ihr die Leute darauf aufmerksam gemacht, dass man jetzt diese SUSHI Bikes bestellen könnte?
Ich habe mich nicht getraut Freunde einzuladen, denn ich dachte, wie peinlich wird der Moment, wenn ich den Shop liveschalte und es kommt nicht eine Bestellung.
Andy: Die Website wurde Ende Juli fertig, also drei Tage, glaube ich, bevor wir livegehen wollten. Parallel haben wir an dem PR-Konzept gearbeitet. Es mussten an dem 29. Juli Pressemitteilungen raus, damit hoffentlich direkt am Launch Menschen das Fahrrad bestellen können oder davon erfahren. Glücklicherweise hatte ich von dieser Messe damals noch sehr, sehr viele E-Mail-Adressen gesammelt und immer mal wieder Mails bekommen: „Ich habe dein Bike da gesehen, wann kommt das denn endlich mal auf den Markt?“. Zu dem Zeitpunkt konnte ich endlich sagen, „Bestelle es dir vor, wir gehen Ende Juli an den Markt“. Dann saß ich da in diesem Büro ganz allein. Ich habe mich nicht getraut Freunde einzuladen, denn ich dachte, wie peinlich wird der Moment, wenn ich dort sitze, den Shop liveschalte und es kommt nicht eine Bestellung. Das wollte ich mir nicht geben. Also saß ich da allein eingebunkert zwischen Brötchen und Brezen und dann haben wir livegeschaltet. Gott sei Dank kamen dann schnell Bestellungen, die natürlich alle Vorbestellungen waren. Ich war vorher sehr pessimistisch und habe mir gedacht, das will keiner kaufen.
Das Maki M2 - der kleine und handliche Akku macht den Unterschied
Finanzierung ohne große Risiken
Manuel: Wie hast du denn die Vorabfinanzierung stemmen können? Also hast du da noch andere Mittel gehabt, außer jetzt einen prominenten Mitstreiter zu haben?
Andy: Nein, gar nicht, und wer da so ein bisschen reinschnuppert in die Welt der Investments von Herrn Joko Winterscheidt, der wird feststellen, dass gar nicht so viel Geld investiert wird. Mein Anspruch war von Anfang an, lasst uns das Mindeste reinstecken, was wir brauchen. Dazu gehört einen Shop zu bauen. Mit Shopify hatten wir die Basis und da mussten wir eine Agentur haben, die uns ein Logo designt und Corporate Colours definiert. Dafür brauchten wir halt einen kleinen fünfstelligen Betrag, aber das war es dann auch schon. Alles andere hat sich dann zum Glück durch diese Vorbestellungen stemmen lassen. Also wir sind mit sehr wenig Risiko reingegangen, auch wenn es für mich natürlich ein persönlich größeres war.
Manuel: Die Idee war schon, dass durch die Vorbestellungen finanzieren zu können und dann im weiteren Betrieb aus dem Cash Flow heraus?
Andy: Genau und so läuft es eigentlich bis jetzt noch. Wir kaufen oder bauen nach wie vor sehr konservativ und wollen kein extremes Risiko. Ich finde dieses organische Wachstum ganz schön, dass wir wirklich aus dem Cash Flow heraus sagen können, wir haben genug Geld gerade, dass wir wieder Räder bauen. Hoffentlich haben wir irgendwann Lagerbestand, das ist das große Ziel. Durch Corona wurde die Produktionsplanung ein bisschen zerschossen, da waren wir einer der Profiteure. Die Nachfrage nach Rädern war größer und es wurden mehr verkauft, als wir erwartet hätten. Dementsprechend haben wir im Sommer nicht den Lagerbestand, sondern wir liefern Fahrräder eben jetzt aus, die schon vor zwei Monaten bestellt wurden.
Manuel: Die Nachfrage war ein bisschen höher, aber die ganze Logistik und Herstellung und Lieferung war wahrscheinlich deutlich schwieriger, oder?
Es hatte der Teilekampf begonnen.
Andy: Total schwieriger, zum Teil auch teurer. Preisverhandlungen waren nicht mehr möglich. Das ist natürlich eingefroren worden, denn es hatte der Teilekampf begonnen. Jeder braucht Teile, jeder braucht Fahrräder und Kapazitäten. Da mussten wir auch drum kämpfen.
Manuel: Ist Deutschland ein gutes Gründerland? Wie hast du das erlebt?
All sowas hat mich frustriert und deswegen ging der Weg auch komplett ohne Förderungen.
Andy: Ich bin in meinem Freundeskreis dafür bekannt, dass ich nicht so super positiv auf Förderungen zu sprechen bin, weil ich oft Hürden sehe, die nicht sein sollten. Nehmen wir das EXIST Gründerstipendium. Die haben sicherlich ihre Gründe, aber warum darf ich nicht gegründet haben, bevor ich EXIST beantrage. Meine Mission bei SUSHI war, ich gründe sofort. Ich habe keine beschränkte Haftung, das wollte ich hinter mir haben und damit habe ich mich disqualifiziert für EXIST. Sowas kann ich nicht verstehen. Oder bei einigen Accelerators wurde ich permanent abgelehnt, einfach nur, weil ich die Rahmenbedingungen nicht eingehalten habe, indem ich allein gegründet habe. Wieso ist das ein Ausschlusskriterium? Wieso erlauben wir nicht, Sologründern allein so einen Weg zu gehe? Oder: Wir erlauben es ihnen, aber wir helfen ihnen nicht dabei. Das fand ich schade, dass das schon ein Ausschlusskriterium ist und dann gar nicht erst die Idee angeschaut wird. All sowas hat mich frustriert und deswegen ging der Weg auch tatsächlich komplett ohne Förderungen. Ich habe irgendwann eine Crowdfunding-Förderung bekommen, bin aber nicht auf Kickstarter, sondern auf Shopify gegangen und musste sie komplett zurückzahlen. Also auch solche Geschichten, da hat dann meine Frustration, glaube ich, das Ende genommen und ich habe gesagt, ab hier versuchen wir es mit unserem Minimalbudget.
Die smarte, simple Lösung für Mobilität – auch in Zukunft
Manuel: Bist du denn jetzt immer noch solo unterwegs?
Andy: Zum Glück nicht mehr. Es hat sich wunderschön entwickelt. Im Januar kam dann Vera dazu, die uns hauptsächlich im Marketing unterstützt hat, Ich habe gemerkt, SUSHI wird vom Marketing leben. Das Produkt stimmt, die Qualität, die Logistik sitzt, jetzt brauchen wir Markenbildung, das wird essenziell. Aber viel wichtiger war mir zu dem Zeitpunkt auch, jemand zu haben, der einfach als Sparringpartner danebensitzt. Also ich war bereit, da sämtliche Modelle anzunehmen oder sämtliche Positionen zu formen, Hauptsache ich habe jemand, der persönlich dazu passt, der mich da ein bisschen unterstützt bei der Reise. Es ging diese anderthalb Jahre, aber dann habe ich jemand gebraucht, der einfach mithilft.
Das ist eine sehr schöne Reise und ich bin jeden Tag dankbar dafür.
Jetzt sprechen wir sechs Monate später und insgesamt sind wir jetzt 14 Leute, vier davon Vollzeit inklusive mir, sieben Praktikantinnen und Praktikanten und drei Werkstudenten und Werkstudentinnen. Das ist eine sehr schöne Reise und ich bin jeden Tag dankbar dafür.
Manuel: Ihr habt sehr One-Product-mäßig angefangen. Wo siehst du denn deine Firma in den nächsten Jahren?
Andy: Da sprechen wir zu einem sehr guten Zeitpunkt, denn erst letzte Woche haben wir die Strategieplanung abgeschlossen. Wo wollen wir hin - das wussten wir noch nicht so richtig, denn wir räumen die ganze Zeit nur hinter uns auf. Da haben wir versucht ein Statement zu formulieren, was wir demnächst launchen werden. Es geht im Groben und Ganzen darum, wir wollen Menschen bewegen, sich bewegen zu lassen. Wir wollen immer eine smarte, moderne, aber trotzdem simple Lösung sein. Wir wollen aber auch immer diese große Mobilität challengen. Das kann man auf kleiner Ebene machen, wie mit den E-Bikes. Das kann aber auch ganz, ganz groß werde, nach dem Motto: Städte, müsst ihr auto-orientiert sein? Oder können wir nicht diese Pop-up-Bike-Lanes, die wunderbar sind, ein bisschen beibehalten? Auf dem Weg dorthin wird einiges passieren in Form von Produkten. Das gilt es jetzt für uns rauszufinden. Da gibt’s jetzt keine richtige Roadmap, sondern sehr viele Konzepte und sehr viele lustige Ideen.
Manuel: Ihr seid keine Fahrradfirma, sondern eine modern-denkende Mobilitätsfirma?
Andy: Ich würde es mir gerne so offenhalten. Mein Papa hat mir schon immer als Kind gesagt, und das ist so witzig, dass ich jetzt irgendwas mit Fahrrädern mache, „Bua, das Radl ist die beste Erfindung der Welt“. Und es ist sehr schön, wenn wir diese beste Erfindung der Welt noch ein kleines Stück besser machen können. Das ist mein persönliches Ziel.
Das feste Team um SUSHI Bikes
Das war’s, dieses Projekt ist vorbei.
Manuel: Wo ist denn dieser Moment gewesen, wo du auch mal gehadert hast mit der ganzen Idee? Hast du da Schlüsselmomente gehabt?
Andy: Ich glaube, wenn man diese Reise mehr oder weniger allein antritt, ergeben sich sehr viele, die auf persönlicher Ebene passieren. Man kommt wahnsinnig oft an persönliche Grenzen, wo man schon wieder eine Entscheidung treffen muss, die krass sein könnte. Klar, habe ich Sicherheit bekommen und Meinungen von überall, aber am Ende liegt die Entscheidung bei mir. Mit jeder wächst man ein bisschen und mit jeder habe ich auch Mut gewonnen. An konkreten Dingen kann ich es nicht festmachen, aber das Exemplarischste ist das, mit dem gestohlenen Bike: dass man daran wachsen muss, auch wenn ich das nicht glauben konnte und alles zusammengebrochen ist und ich sofort gesagt habe, das war’s, dieses Projekt ist vorbei.
Manuel: Was würdest du dir denn selbst raten in deiner Gründungsphase, wenn du jetzt mit dem heutigen Wissen rangehst?
Andy: Da gab es ganz viele kleine Sachen. Ich glaube, was wahnsinnig gut lief, ist ein Umfeld zu schaffen, das einem wertvolle Tipps gibt. Neben Joko sind noch zwei Mentoren dabei, die selbst schon sehr groß gegründet haben und da sehr viele Punkte beigesteuert haben. Ohne dieses Dreiergespann um mich rum wäre wahnsinnig viel schiefgegangen. Also Tipp hieraus ist, ich würde mir wieder ein extrem starkes Umfeld holen. Was würde ich anders machen? Schneller einen Sparringpartner holen. Das kann auch im privaten Umfeld jemand sein, der einfach versteht, was Gründung bedeutet oder der einen wieder aus so einem Loch holt.
Und am Ende mit mehr Zuversicht an alles rangehen. Das ist auch etwas, das ich beim neuen Projekt machen würde. Ohne dabei aber diese für Start-ups oft etablierte Arroganz zu entwickeln, die gefällt mir überhaupt nicht.
PR-Aufmerksamkeit durch ein prominentes Zugpferd
Manuel: Das Thema Marketing und PR, da hast du schon gesagt, dass das eine Marke ist, die sehr stark darüber getrieben wird. Was ist da jetzt eure Strategie
Am Ende ist Joko einfach politisierend.
Andy: Was wir natürlich am Anfang extrem gespielt haben, ist, dass Joko mit an Bord ist. Das ist die logische Konsequenz. Das hat auf ganz vielen Ebenen polarisiert und das haben wir mitgenommen, vor allem in der Presse. Es war ein Umweltthema, das hat mit Mobilität zu tun und damit macht man sich schon zwei Bereiche auf, die nicht so naheliegend waren. Wir waren nicht nur in Bike-Zeitschriften, sondern eben auch in Mobilitätszeitschriften. Dann ist es aber auch designmäßig ein Schocker gewesen. Das war plötzlich ein Lifestyle-Fahrrad und die ganze Marke war als Lifestyle aufgebaut. Also waren wir auch da relevant und am Ende ist auch Joko einfach politisierend. Da wird gerne drüber gesprochen, gerne berichtet. Wir haben das als erste Karte gespielt und haben sehr lange, bis Anfang 2020, kein Geld für Marketing ausgegeben. Kein Geld für Paid Advertisement auf Social Media, sondern haben von Presse gelebt, von kleinen Events.
Erst im Frühjahr sind wir mit Facebook-Werbung rausgegangen, mit sehr kleinen Budgets. Da kann ich noch nicht behaupten, dass wir einen Riesen-Marketing-Stunt hingelegt haben. Wir hatten den Fokus auf PR und das hat gut funktioniert. Das fällt schon deutlich leichter, wenn ein prominentes Zugpferd mit dabei ist.
Da gilt es jetzt, die schöne Brücke zu schlagen zwischen der organischen Werbung, die wir bisher genossen haben und jetzt aber auch aktiv Geld auszugeben. Es ist trotzdem wichtig, sich treu zu bleiben, als sympathische und junge Firma, die wir halt auch sind, dass wir schöne Instagram-Storys machen, dass wir die Leute mitnehmen im Büroalltag, all das ist glaube ich noch viel wichtiger zusätzlich.
Joko Winterscheidt war bereits früh Teil des jungen Start-ups
Manuel: Jetzt seid ihr als reine E-Commerce Firma gestartet. Habt ihr auch Pläne, dass jetzt in die Läden reinzukriegen, Pop-Up-Stores zu machen oder so?
Andy: Ja, wir überlegen in alle Richtungen. Unser Motto ist da gerade „How to scale Probefahrten“, das ist unser Buzzword dafür. Wir haben jetzt Partner in großen Teilen Deutschlands, zumindest in einigen Großstädten, da kann man es testen. Denn die Conversion Rate ist extrem hoch, wenn jemand erst einmal auf dem Fahrrad saß. Das ist einerseits ein Riesenpunkt für unser Produkt, andererseits auch ein Riesen-Pain, weil dieses Produkt so sperrig ist. Das kannst du nicht einfach in den Laden stellen und sagen, probiert das aus. Man braucht gute Partner, die das pflegen und damit umgehen können. Wir sind langsam auf einem guten Weg und im September wird wahrscheinlich was kommen, dass wir da in verschiedenen Showrooms vertreten sind und dann kann man dort hoffentlich Fahrräder testen.
Manuel: So ein Produkt, wie ihr das habt, ist natürlich auch schwerer so per Probe zu verschicken. Das ist bei so einem Fahrrad jetzt als Sperrgut wahrscheinlich zu verschicken, oder?
Wenn es schiefgeht, ist das Risiko einfach brutal.
Andy: Ja, Versand ist nicht schön. Vor allem wollen wir das Fahrrad perfekt aufgebaut und justiert anbieten. Wenn du es kurz Probe fahren willst, hast du keine Lust, dir erstmal zehn Minuten die Bremsen einzustellen, du willst dich draufsetzen und fahren. Das muss sichergestellt werden. Deswegen ist es leider nicht so easy. Eine Garantie wäre cool, dass du sagst, bestelle es dir nach Hause, fahr es Probe und schicke es uns wieder, wenn es dir nicht gefällt. Das könnten wir machen, aber das geht nicht, wenn wir unseren Ansatz so fahren. Wir leben davon, dass wir organisch wachsen, deswegen finanzieren wir alles vorsichtig und können nicht mit Geld um uns werfen. Wenn es schiefgeht und die Retouren-Rate hoch wäre, ist das Risiko einfach brutal.
Manuel: Wie sieht es momentan aus, wie lange muss man rechnen, wenn man ein Bike bei euch bestellen möchte?
Andy: Es schwankt, aktuell wenn dieser Podcast rauskommt, wahrscheinlich September bis November irgendwo in der Range. Am besten einfach auf unserer Website nachschauen, dann ist es sehr zuverlässig!
Manuel Fritsch ist der Moderator des Shopify Podcasts. 2000 gründete Manu sein erstes Unternehmen und arbeitete 15 Jahre in der Agenturwelt. Seit 2015 ist er als freiberuflicher Spielejournalist für Fachmagazine, Zeitungen und seinen eigenen Podcast mit inzwischen über 2.500 Folgen tätig.
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