Als Anna Pfeiffer sich 2015 eine Auszeit von ihrem damaligen Job als Grafikdesignerin nahm, ahnte sie nicht, dass sie sich kurze Zeit später in die Höhle der berühmten Löwen begeben wird und als Siegerin herauskommt.
Doch Anna Pfeiffer hat es geschafft. Mit ihrer innovativen Naturkosmetik-Firma FIVE Skincare hat sie eine Löwin und viele Zuschauer überzeugt. Ihr Onlineshop, den sie mit Shopify startete, war innerhalb weniger Stunden nach der Ausstrahlung der Sendung auf VOX fast ausverkauft. Das Produkt kam an.
Der Hauptsitz von FIVE ist in der Schweiz, doch den größten Absatzmarkt fand das Startup in Deutschland. Wie Anna Pfeiffer sich als Neuling auf dem Naturkosmetikmarkt durchgesetzt hat, welchen Herausforderungen sie sich stellte und welchen Beitrag der Auftritt in Die Höhle der Löwen ihrem Erfolg leistete, das verriet sie uns im Interview.
Wofür steht FIVE Skincare?
Wir machen Naturkosmetik, die aus maximal fünf Inhaltsstoffen besteht. Eine normale Gesichtscreme, ob Naturkosmetik oder konventionell, besteht aus durchschnittlich 20 Inhaltsstoffen. Für den Konsumenten ist es unmöglich zu durchblicken, was dort wirklich drin steckt. Wir reduzieren es auf das, was auch wirklich einen Nutzen für die Haut bringt und alle weiteren Stoffe lassen wir weg.
Die Marke FIVE ist fast schon eine dogmatische Auslegung von unserem USP, nämlich Naturkosmetik zu machen, die maximal aus fünf Zutaten besteht – die Reduktion aufs Wesentliche. Das ist eine pragmatische Positionierung, die wir strikt verfolgen und deswegen auch im Namen manifestiert haben.
Warum ausgerechnet 5?
Die Frage war, wie weit wir realistischerweise reduzieren können. Uns ist die Transparenz am wichtigsten: Das heißt, den Kunden etwas zu bieten, das sie auch wirklich verstehen können. Daher schreiben wir die Inhaltsstoffe immer auf Deutsch auf die Produkte drauf.
Die Zahl Fünf, laut Lerntheorie, ist das, was man sich gerade noch so merken kann. Denn das kann man an einer Hand abzählen, fünf ist die maximal merkbare Menge. Die fünf Stoffe beziehen sich dabei immer pro Produkt, nicht auf die Marke.
Anna Pfeiffer - Gründerin von FIVE Skincare (Foto: Ladina Bischof)Wie kam es zu der Umsetzung?
Im Februar 2015 ist die Idee entstanden. Mir war immer klar, dass ich niemals selbst anfange zu produzieren und habe mir von Anfang an einen Hersteller gesucht. Mir war auch sofort klar, dass ich in Deutschland verkaufen will, denn Deutschland war mit Abstand der größte Markt in Europa für Naturkosmetik. Das Marktvolumen ist inzwischen bei 1,3 Milliarden Euro und allein 1,15 Milliarden Euro davon sind in Deutschland. Die anderen verteilen sich auf andere europäische Staaten. Deshalb habe ich mir vor allem in Deutschland einen Hersteller gesucht.
Lesetipp: Weitere Erfolgsgeschichten von Shopify-Händlern in Deutschland, Österreich und der Schweiz findest du hier.
Wie haben Sie die Produzenten gefunden?
Es gibt in allen Bereichen sogenannte Lohnhersteller. Das sind Firmen, die auf Auftrag herstellen. Sie sind spezialisiert auf Kosmetikherstellung, auf Lebensmittel oder andere Bereiche. Oft sind es auch Firmen, die Maschinen haben, die sie noch auslasten müssen. Dann scheitert es aber oft an den großen Abnahmemengen, die sie verlangen.
Am Anfang ist mir auch ein recht rauer Wind entgegen geblasen, sowohl von den Herstellern als auch von der Branche an sich, weil es größtenteils immer noch ziemlich unüblich ist, dass man eine Formulierung dem Kundenbedürfnis anpasst. Eigentlich funktioniert die Kosmetikbranche so, dass neue Bedürfnisse [von den Unternehmen kreiert] auf den Markt kommen und dann über Marketingmaßnahmen in Szene gesetzt werden, doch die Formulierungen sind oft nach dem gleichen Schema aufgebaut. Die Branche ist sehr innovativ im Kreieren von neuen Kundenbedürfnissen, aber in punkto Formulierungen und Produktsortiment sehr starr. Eine Emulsion macht man eben so, wie man sie schon immer gemacht hat.
Ich bin dieses Problem als Outsider angegangen, und zwar aus der Perspektive der Kunden.
Aber es ist nicht das, was der Kunde momentan will. In den letzten Jahren hat ein Umbruch stattgefunden weg von der konventionellen Kosmetik, die kaum mehr wächst, hin zu Naturkosmetik, die seit Jahren stabil wächst. Doch auch da sind die Produkte sehr austauschbar. Die Konsumenten sind extrem verunsichert durch die Skandale, die in letzter Zeit aufkamen. Parabene, die im Verdacht stehen, den Hormonhaushalt zu beeinflussen, Aluminium in Deos, von denen man vermutet, dass sie krebserregend wirken. Vertrauen in die Branche ist gering und die Verbraucher wünschen sich mehr Transparenz.
Die Verbraucher wünschen sich mehr Transparenz.
Ich bin dieses Problem als Outsider angegangen, und zwar aus der Perspektive der Kunden. Alle rieten mir davon ab, diesen neuen Weg einzuschlagen. Glücklicherweise habe ich einen Hersteller gefunden, der bereit war, nach meinem Konzept zu arbeiten. Es hat aber ungefähr 18 Monate gedauert bis die ganzen Rezepturen, die ich bis dato hatte, wirklich marktreif waren.
Viele denken, die Idee allein macht’s. Haben Sie die Rezepturherstellung den Produzenten überlassen?
Ich habe sehr viel Vorarbeit gemacht, da ich nicht als völliger Laie auftreten wollte. Ich habe mich in die Kosmetikverordnung eingelesen, denn in Deutschland bzw. der EU und in der Schweiz ist ja alles reguliert. Da kann man nicht einfach etwas zu Hause zusammenmischen und auf den Markt bringen.
Ich wusste, welche Tests wir machen müssen, und habe die Rezepturen für die ersten vier Produkte selbst entwickelt. Das klingt sehr Science-Fiction-mäßig, aber letztendlich ist es so, als würde man ein ausgetüfteltes Kochrezept zusammenstellen. Denn es sind Stoffe, die man bereits kennt und lediglich miteinander kombiniert. Die Kosmetikindustrie tut häufig so, als wäre es Medizin, doch da sind Welten dazwischen.
Die Herausforderung war, von der kleinen Menge auf große Mengen für Maschinen zu skalieren.
Der Hersteller hat alles geprüft und die Herausforderung war, von der kleinen Menge auf große Mengen für Maschinen zu skalieren. Und da können alle möglichen Problemchen auftauchen. Zum Beispiel hat unser Body Scrub die Maschinen verstopft. Das sind Sachen, mit denen man nicht unbedingt rechnet, wenn man branchenfremd ist. Daher hat es relativ lange gedauert, bis die vier Produkte wirklich marktreif waren.
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Wie sieht eine solche Entwicklungsphase bis zur Marktreife aus?
Der Prozess sah folgendermaßen aus: ich entwickle ein Produkt und muss es auf seine Marktreife prüfen, zum Beispiel in Form eines Stabilitätstests. Das bedeutet, dass die Stoffe bei einer Emulsion eine gewisse Zeit stabil bleiben müssen und sich nicht trennen dürfen.
Dann geht es für ein paar Wochen in einen Wärmeschrank, danach werden sogenannte Keimbelastungstests durchgeführt, die prüfen, ob die Konservierung ausreichend ist. Am Ende der Testphase entsteht eine Produktdatei, die von einem Experten abgenommen wird. Wichtig ist, sich nur der zugelassenen Stoffe zu bedienen. Zum Schluss kommt das Produkt in ein Register und wird auf meinen Namen hinterlegt. Dieser Prozess dauert auch einige Monate. Alle diese Tests werden teils beim Produzenten ausgeführt, teils arbeitet auch er mit externen Laboren zusammen.
Da unsere Produkte vegan sind, haben wir sie zudem bei der Vegan Society registriert. Für neue Produkte, die wir gerade entwickeln, fertige ich ein Briefing an. Die Entwicklung mache ich nicht mehr selbst, sondern habe ganz konkrete Vorstellungen, welche Inhaltsstoffe ich gerne hätte, mit einer Innovation für die Konservierung. Aufgrund dieses Briefings stellt der Hersteller mir Muster zur Verfügung.
Verkürzt sich die Produktentwicklungszeit dadurch?
Kaum, sie ist immer noch so lang. Zwar nicht mehr 18 Monate, doch mit 12 Monaten muss man schon noch rechnen. Und das auch nur, wenn alles gut geht. Manchmal lässt sich die Formel nicht so leicht herausfinden.
Die Herausforderung ist auch im Hinblick auf die Saisonalität zu planen. Das heißt, welche Produkte wann und wie auf den Markt bringen und die richtige Zeit abpassen.
Sie kommen aus der Schweiz und verkaufen nach Deutschland und Österreich. Welche Schwierigkeiten kamen mit diesem Business-Modell auf Sie zu?
Wir müssen die EU-Norm einhalten, diese gilt auch mehr oder weniger für die Schweiz. In der Schweiz ist es zwar ein bisschen anders gegliedert, aber das deckt sich. Produkt-technisch ist es kein Problem. Was aber immer schwieriger wird, sind die Währungsunterschiede: Franken zu Euro.
Wir haben zwei Logistikzentren: eins für Deutschland, Österreich und die EU und eins für die Schweiz und Liechtenstein.
Das lösen wir so, dass wir zwei Shopify Shops haben, die identisch sind, weil wir auch – und das ist eigentlich die größte Herausforderung – zwei Logistikzentren haben. Wir haben eins in Schwerin, welches Deutschland und Österreich beliefert und auch den ganzen EU-Raum bedienen könnte, wenn wir uns vergrößern. Und dann haben wir eins in der Schweiz, welches die Schweiz und Liechtenstein beliefert. Denn es ist fast nicht zumutbar für einen Schweizer, Produkte in Deutschland zu bestellen und auch als Online-Business in die Schweiz zu verschicken. Es dauert einerseits sehr lange und als Endkunde weißt du nicht, was du zusätzlich für den Zoll zahlen musst. Aus diesem Grund gibt es viele Onlineshops für die Schweiz einfach nicht.
Was außerdem hinzukommt, sind die verschiedenen Mehrwertsteuersätze. Unser aktueller Firmensitz ist in Zürich, wir sind aber in Deutschland mehrwertsteuerpflichtig. Das heißt, ich musste die Umsatzsteuernummer dort beantragen, beim Finanzamt Konstanz anmelden, monatlich die Abrechnung für Deutschland machen und die ist wesentlich komplizierter als in der Schweiz. Irgendwann pendelt es sich ein, aber am Anfang wirkt das alles eher abschreckend.
Für die Shops bedeutet es auch unterschiedliche Zahlungsanbindungen. Zum Beispiel wollen in der Schweiz sehr viele Menschen mit PostFinance bezahlen. Je nach Ursprung des Shops haben wir bei Shopify unterschiedliche Möglichkeiten gegeben, welche Zahlungspartner angebunden werden können. Das Problem bei uns ist, da wir noch keine Zweigstelle in Deutschland haben, sind unsere beiden Shops eigentlich rechtlich Schweizer Shops. Das ist ungünstig, da wir deshalb in Deutschland Klarna als Zahlungsoption noch nicht einbinden können, denn dafür brauchen wir eine deutsche Adresse.
Die Lösung wäre also, eine Zweigstelle in Deutschland aufzumachen, wodurch sich der buchhalterische Aufwand vergrößert, da ich einen Buchhalter in beiden Ländern bräuchte. Denn bisher reicht es, wenn ich die Umsatzsteuervoranmeldung mache und die Mehrwertsteuer abführe.
Da kommen wir aber nicht drumherum, denn auch PayPal wird für uns zu einem Problem. Bisher haben wir nur ein Schweizer PayPal-Konto. Die meisten Beträge gehen in Euro rein, aber da es ein Schweizer Konto ist, rechnet PayPal das zum Schluss bei der Auszahlung immer in Franken um. Auch wenn wir uns das auf ein Euro-Konto überweisen.
Das heißt, am Schluss haben wir Gebühren von fast 6 Prozent, die uns um die Ohren fliegen, wenn man es bei PayPal umrechnet. Auf Dauer ist das nicht machbar, daher lohnen sich die zwei Standorte.
Wie ist es, von Deutschland nach Österreich zu verkaufen?
Wenn wir von Deutschland nach Österreich verkaufen – die österreichische Mehrwertsteuer ist nochmal höher als die deutsche (20 Prozent) – gibt es Freigrenzen. Wir können in jedes EU-Land bis zu einem bestimmten Betrag Ware liefern und dann wird die deutsche Mehrwertsteuer verrechnet. Irgendwann müssen wir dann auch die österreichische Mehrwertsteuer verrechnen, aber in diesen Umsatzbereich muss man erstmal kommen.
Auch sprachliche Herausforderungen gibt es. Obwohl alles auf Deutsch ist, gibt es zwischen den Ländern so ihre Unterschiede, was zum Beispiel die Rechtschreibung angeht ("ß-ss" Unterschied). Doch diese lassen sich mit einigen technischen und manuellen Anpassungen lösen.
Woher kam die Idee, an der Sendung Die Höhle der Löwen teilzunehmen?
Ich hatte die Sendung schon immer im Hinterkopf und Freunde scherzten auch drüber, doch habe ich es immer aufgeschoben, weil ich mich nicht getraut habe. Im November 2016 habe ich einen Anruf bekommen, von einer Frau der Produktionsfirma, die diese Organisation für VOX macht. Sie fragte mich, ob ich das Sendeformat kenne und ob ich mir vorstellen könnte, mitzumachen. Ich war etwas überrumpelt.
Sie sind auf mich durch einen Presseartikel in einem Online-Magazin gekommen. Zu dem Zeitpunkt liefen wir noch auf Sparflamme, quasi im Testmodus, ich habe da noch zu Hause produziert und wir haben nur in der Schweiz verkauft. Die Frau riet mir also, mich zu bewerben – es war keine direkte Einladung.
Nach dem Bewerbungsprozess und dem Casting-Video, war ich plötzlich dabei. Am 25. Januar 2017 war dann der Termin. Zwei Wochen hatte ich Zeit zur Vorbereitung. Diese habe ich genutzt, bin abgetaucht und habe alle Zahlen auswendig gelernt.
Welche Zahlen waren das?
Einerseits ist es wichtig, dass die gesamten Herstellungskosten vorhanden sind und die hat man nicht von heute auf morgen, denn da muss ausgewertet und verglichen werden, außerdem müssen verschiedene Mengen kalkuliert werden.
Beim Online-Business sind es auch die ganzen variablen Kosten und Zahlen, die einberechnet werden müssen. Zum Beispiel:
- die Kosten für das Fulfillment (pro Stück gerechnet),
- die PayPal-Gebühren
- die Shopify-Gebühren,
- die durchschnittliche Größe des Warenkorbs,
- die Wiederkaufsrate,
- die Konversionsrate
- die Wachstumsrate
Das war bei uns noch zu früh, da wir noch nicht wirklich auf dem Markt waren. Aber wenn man diese Zahlen bereits hat, dann muss man diese Absatzmengen auch liefern können.
Skalierbarkeit ist für jeden Investor extrem relevant.
Wichtig ist zu wissen, ob das Produkt mit der Marge, die man einkalkuliert hat, realistisch ist und wie es zu skalieren ist. Das heißt, selbst wenn du eine kleine Produktion hast, wie du es schaffst, die 20-fache Menge in kurzer Zeit zu produzieren. Skalierbarkeit ist für jeden Investor extrem relevant. Es waren damals sicherlich 15 Mappen mit Liquiditätsplanung, dem Herstellungskosten-Plan und allem, was dazu gehört, die ich vorbereitet habe.
Nur mit einer tollen Idee hat man keine Chance - weder in der Show noch in der Realität.
Mein Tipp: Für alle, die planen, dort mitzumachen, würde ich mich von jemandem abfragen lassen, der Ahnung hat. Sehr wichtig für die Vorbereitung war, sich bisherige Shows anzuschauen. Und gerade dort, wo Fehler bei Kandidaten auftauchen, zu überlegen, wie sich diese Fehler auf das eigene Unternehmen übertragen lassen.
Auch wenn man noch nicht bereit ist, also noch nicht am Markt, sollte man all die oben genannten Aspekte durchdacht haben. Nur mit einer tollen Idee hat man keine Chance, weder in der Show noch in der Realität.
Die Höhle der Löwen ist sehr beliebt. Wie sind Sie mit dem Druck umgegangen, die Profis von Ihrem Konzept zu überzeugen?
Ich funktioniere generell sehr gut unter Druck, aber die Zahlen und Analysen als Vorbereitung haben auch sehr geholfen, überzeugender zu wirken. Am Anfang, wenn man eine Idee hat, die noch nicht konkret geformt ist, dümpelt man noch viel rum und verschwendet viel Zeit. Man driftet ab und hat keine richtigen Prioritäten.
Das Testen der Idee ist extrem wichtig für eine realistische Einschätzung.
Ganz am Anfang testete ich meine Idee, indem ich die - damals noch zu Hause in der Küche produzierten - Produkte auf einem Pop-Up-Markt verkauft habe. Das Testen der Idee ist extrem wichtig für eine realistische Einschätzung. Man kennt es ja von dem Lean Startup Konzept des MVPs (Minimal Viable Product). Und das war mein Ziel, zu testen, ob die Leute das Produkt gut finden und bereit sind, es zu kaufen. Die Idee ist super angekommen, der Stand wurde mir eingerannt.
Außerdem hat mir die Vorbereitung für Die Höhle der Löwen einen Wahnsinns-Sprung gegeben. In den zweieinhalb Wochen habe ich so viel geschafft wie in drei oder vier Monaten zu Hause. Wenn du als Unternehmerin solch eine Gelegenheit bekommst, dann lässt du sie dir nicht durch die Lappen gehen. Und wenn die Vorbereitung stimmt, dann kann auch wenig schiefgehen. Natürlich können die Löwen die Kandidaten auch auseinandernehmen, aber dann war die Vorbereitung nicht gut genug.
Wie ging es weiter? Was hat sich durch die Sendung verändert?
Dass es wirklich zur Ausstrahlung kommt, das erfährst du erst zwei, drei Wochen vorher. Das heißt, es ist sehr schwer zu planen. Wenn man es sich nicht gerade leisten kann, kann man nicht enorm auf Vorrat produzieren. Wir konnten es nicht machen, weil wir die Befürchtung hatten, dass es in der Tonne landet.
Was auch gut war, war die Verhandlung mit Judith Williams, die investieren wollte, denn das hat den Unternehmenszahn nochmal mehr geschärft. Dort wurde ich auf Probleme aufmerksam, die mir vorher nicht klar waren.
Wenn man einen Shop launcht, hat man keinen Traffic. Wir waren am Anfang komplett unsichtbar.
Zunächst hatten wir nur den Schweizer Shop, noch keine PR-Agentur, das kam erst alles im Juli und August 2017 und im September 2017 war die Ausstrahlung. Ein Jahr nach der Gründung der GmbH 2016 sind wir 2017 online gegangen.
Wenn man einen Shop launcht, hat man Null Traffic. Wir waren am Anfang komplett unsichtbar. Die Höhle der Löwen war für uns also auch gleichzeitig Launch, was im Nachhinein das perfekte Timing war. Der Shop musste laufen, dann wurde suchmaschinenoptimiert, die Produkte wurden fertig gemacht, sodass die Logistik bereit war, falls da ein echter Ansturm kommt.
Wie haben Sie den Onlineshop auf die Sendung vorbereitet?
Was wir vor allem gemacht haben: Wir haben den Shop auf das Event angepasst. Wir wussten, die Leute wollen nicht lange herumsuchen. Also haben wir das bis dato Bestseller-Produkt, die Shea Cream, auf die Startseite unseres Shopify Shops gepackt und es zum Angebotspreis für kurze Zeit angeboten. Und das ging durch die Decke! Schon in den ersten Minuten der Show kamen Bestellungen rein und das lief alles reibungslos.
Ich hatte im Vorfeld etwas Angst, dass uns die Seite abstürzt. Das gute ist: bei Shopify passiert das nicht.
Ich hatte im Vorfeld etwas Angst, dass uns die Seite abstürzt. Das gute ist: bei Shopify passiert das nicht. Ich weiß, dass andere Startups, die bei Die Höhle der Löwen mitgemacht haben, wochenlang Zeit damit verbracht haben, die Server von ihren Magento Shops so zu frisieren, dass sie überhaupt das Volumen aushalten. Viele haben dieses große Problem geäußert, dass sie von diesem Traffic-Boost gar nicht richtig profitieren konnten.
Wussten Sie um dieses Serverproblem schon vorher oder war die Belastbarkeit von Shopify ein glücklicher Zufall?
Shopify war für mich von Anfang an die beste Shoplösung auf dem Markt und auch vor dem Launch hatte ich viel Kontakt mit dem Shopify Support, der mir versichert hat, dass der Shop den Traffic aushält und dass es “Peanuts” sind, da das System extra für Black Friday-Booms ausgelegt ist.
Shopify ist eine Lösung, die sich mit solchen Durchläufen auskennt und das war wirklich super, denn wir haben vor Ort von vielen gehört, die wochenlang zugange waren. Das war ein enormer Vorteil, dass wir uns damit nicht beschäftigen mussten und uns voll und ganz auf die Prozesse und die Aufmachung konzentrieren konnten. Auch, dass der Checkout bei Shopify reibungslos funktioniert, war und ist ein Segen.
Wie sind Sie mit der plötzlichen Bekanntheit klargekommen?
Wir haben die Ausstrahlung zu Hause mit Freunden geschaut und noch beim Vorspann klingelte mein Handy plötzlich wie verrückt, ich schaute darauf und habe gesehen, dass es schon Bestellungen waren, die eingegangen sind.
Bei Die Höhle der Löwen mitzumachen, ist schon etwas, was einen als Unternehmer beflügelt, wie keine andere Marketingmaßnahme es kann.
Im deutschen Shop waren wir innerhalb von 24 Stunden mit der Shea Cream komplett ausverkauft, der Body Scrub innerhalb von 48 Stunden und ziemlich ähnlich danach auch im Schweizer Shop. Wir haben vorher natürlich nicht tonnenweise produziert, denn damit war wirklich nicht zu rechnen. Doch bei Die Höhle der Löwen mitzumachen, ist schon etwas, was einen als Unternehmer beflügelt, wie keine andere Marketingmaßnahme es kann.
Es ging also von 0 auf 100. Wie ging es von diesen 100 weiter? Gab es einen Fall?
Mir war immer klar, dass es ein Hype war. Doch der hat viel länger gedauert, als wir dachten. Wir sind die nächsten acht Wochen, bis wir wieder Produkte im Lager hatten, Umsatz-technisch gesunken. Aber wir haben den immensen Traffic auch genutzt, um die Leute auf die Warteliste zu bringen, bis das Produkt wiederkommt. Vor Weihnachten ging es dann auch wieder richtig ab, als wir wieder Produkte auf Lager hatten. Und dieses Tief kam eigentlich erst im Januar – allerdings gibt es diese Januar-Flaute immer, daher ist es schwer nachzuvollziehen, woran es lag.
Mit einem größeren Team wäre sicherlich noch mehr gegangen, aber wir haben unser größtmögliches rausgeholt. Vor allem, wenn der Deal mit Judith zustande gekommen wäre, dann wäre Marketing-technisch sicherlich mehr gegangen. Der Deal platzte, da wir uns nicht einigen konnten.
Das ist der Vorteil, wenn man sein eigenes Business aufbaut und sich auf die eigenen Kanäle verlässt, denn dann hat man das direkte Kundenfeedback.
Mir war der Kundenkontakt immer extrem wichtig und ist es auch bis heute noch. Viele Kundinnen wollen nicht glauben, dass es mich wirklich gibt und denken, dass da ein Bot am Werk ist. Natürlich haben wir auch viel automatisiert und sicherlich auch einige E-Mails, doch antworte ich trotzdem viel individuell auf Nachrichten. Und das ist der Vorteil, wenn man sein eigenes Business aufbaut und sich auf die eigenen Kanäle verlässt, denn dann hat man das direkte Kundenfeedback.
Nach der Sendung – welche Prozesse wurden priorisiert?
Man könnte meinen, es wären die Bestellungen, doch die sind komplett automatisiert und gingen sofort ins Fulfillment. Das Problem lag eher bei unseren Partnern in Deutschland – in der Schweiz lief alles reibungslos.
Die extra dafür gebaute Anbindung war leider zu wenig getestet, so gingen uns dort zum Beispiel Bestellungen durch die Lappen, weil sie gar nicht erst übertragen worden sind. Umlaute in Namen, die nicht gelesen werden konnten und lauter solcher Kleinigkeiten. Doch als das erst bemerkt wurde, waren wir bereits ausverkauft und dann konnten wir sie nicht mehr beliefern. Solche Vorfälle sind sehr ärgerlich, weshalb das Testen im Vorfeld auch so wichtig ist.
Als Händler denkt man immer, dass man für alles eine Schnittstelle braucht.
In der Schweiz hatten wir keine extra gebaute Anbindung, dort haben wir es über Apps gelöst, die einen automatischen Lieferschein per E-Mail mitliefern. Und das ging problemlos. Als Händler denkt man immer, dass man für alles eine Schnittstelle braucht. Aber ich habe daraus gelernt und man sollte am Anfang unbedingt austesten, ob die Bestellungen problemlos verlaufen und ob eine Schnittstelle für das Fulfillment wirklich nötig ist.
In Deutschland regeln wir es aktuell über CSV-Dateien, denn mit den neuen Partnern haben wir auch noch keine Schnittstelle. Das heißt, ich lade eine CSV-Datei herunter, übertrage sie an das Fulfillment, implementiere dann mit der App MassFulfill alles wieder in den Shop und die Tracking-Information wird damit automatisch übertragen. Die App aktualisiert auch das Inventar und löst gleichzeitig die Frage, wo die Hoheit des Inventars liegt, bei dir oder beim Partner.
Im Schweizer Shop ist es nicht in einer Datei zusammengefasst, sondern sie kriegen pro Bestellung eine E-Mail und damit ich dort einen Lieferschein einbinden kann, nutze ich die App Order Printer Emailer. Die Email kann ich mit der dazugehörigen App Order Printer individuell gestalten, dann kriege ich einen Code und diesen verbinde ich dann mit Order Printer Emailer, sodass ich es danach als PDF ausdrucken kann.
Sowieso haben wir sehr wenig Programmierleistung in Anspruch genommen und sehr viel auf Apps zurückgegriffen.
Apps statt Programmieren: Sehen Sie das als Vorteil von Shopify?
Definitiv, denn in den Gesprächen mit Judith Williams hat sich auch herauskristallisiert, dass man da noch ein ERP-System hinter den Shop klemmen müsste und dann wäre es womöglich ein Magento Shop geworden. Aber ganz ehrlich: wenn du einen Magento Shop professionell aufsetzen lässt, dann gibst du locker 50.000 bis 100.000 Euro aus und wir sind unter 10.000 Euro geblieben, was für kleinere Unternehmen ein realistischeres Budget ist. Natürlich musste ich sehr viel Zeit investieren und konnte auch selbst etwas machen aufgrund meines Grafik-Design-Backgrounds, aber ich bin keine Programmiererin.
Ganz ehrlich: wenn du einen Magento Shop professionell aufsetzen lässt, dann gibst du locker 50.000 bis 100.000 Euro aus und wir sind unter 10.000 Euro geblieben.
Im Prozess merkt man immer wieder, dass irgendetwas verändert werden muss – so ist das im Startup-Leben. Und dann diese Flexibilität an jemanden komplett Externes abzugeben, meistens für Kleinigkeiten, ist nicht immer ideal.
Shopify reagiert immer
Ich kriege hier und da gesagt, dass mir Shopify irgendwann nicht mehr reicht, weil es “zu klein“ ist, aber das glaube ich nicht. Ich glaube, das ist eine Meinung, die vielleicht vor ein paar Jahren relevant war, aber Shopify reagiert ja auch immer. Seien es die ganzen Facebook Anknüpfungen und Shoppable Instagram und die ganzen Code Snippets, die du einbinden kannst, wie Analytics – das ist alles so super einfach, ein wunderbarer Vertriebskanal.
Über die Autorin: Inara Muradowa ist Shopify Partner, SEO-Expertin und Corporate Blogger. Neben technischer Suchmaschinenoptimierung und SEO-Beratung steht sie Unternehmen mit Konzeption und Verfassen von professionellen Blogposts tatkräftig zur Seite.
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