von Inara Muradowa
Jocelyn Kotulla war schon immer modebegeistert. Als sie ihr Studium in Mode- und Textilmanagement abschließt, arbeitet sie ein Jahr lang für einen Großkonzern, bevor sie den Entschluss fasst, sich selbstständig zu machen. Erst vertreibt Jocelyn Taschen über Amazon, bis sie beschließt, ihrer Leidenschaft zu folgen: dem Kitesurfen.
Wenn man im E-Commerce auffallen will, muss man die Bedürfnisse des Kunden in den Mittelpunkt stellen.
Wie Jocelyn es geschafft hat, basierend auf ihrer Passion mit nur wenig Budget ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen und wie daraus sogar eine Bewegung entstand, darüber sprechen wir in unserem Interview.
Podcast Tipp: Anfang 2020 stand uns Jocelyn übrigens auch noch einmal in unserem Podcast Rede und Antwort. Hier könnt ihr die spannende Folge hören. (Natürlich findet ihr den Shopify Podcast auch in jeder Podcast App und in jedem Player!).
Josea Surfwear ist ein großer Erfolg. Wie hat alles für dich angefangen?
Angefangen hat alles damit, dass ich ein persönliches Problem hatte. Ich bin leidenschaftliche Surferin und hatte einfach nie einen passenden Bikini. Wenn du dich im Wasser bewegst, springst und rumsurfst, ist es enorm wichtig, einen Bikini zu haben, der wirklich hält und den du nicht die ganze Zeit zurecht zupfen musst. Das war die Grundidee.
Es gab nichts Passendes auf dem Markt, also habe ich zunächst nur für mich einen Bikini entwickelt, der meinen Vorstellungen entspricht. Daraufhin bin ich mit diesem Bikini nach Brasilien zum Kitesurfen gefahren, habe gemerkt, dass meine Freunde ebenfalls Gefallen daran gefunden haben. Nach ausgiebigem Testen wollten sie auch so einen haben. Und aus diesem Feedback heraus ist die Geschäftsidee ins Rollen gekommen.
Der erfolgreiche Onlineshop von Josea Surfwear - powered by Shopify
Hast du den ersten Bikini damals selbst genäht?
Ich bin ganz schlecht im Nähen, deshalb habe ich diese Aufgabe sofort abgegeben. Die Grundidee und das Design, das kam von mir. Ich habe damals mit meiner ehemaligen Dozentin gearbeitet, sie hat die ersten Prototypen für mich genäht. Dadurch, dass wir relativ schnell gewachsen sind, arbeiten wir inzwischen mit einem ganzen Team an tollen Schneiderinnen hier in Hamburg.
Lesetipp: Wie du eine einzigartige Über-uns-Seite gestaltest, verraten wir dir in diesem Beitrag.
Ich komme ursprünglich aus dem Modebereich, habe Mode- und Textilmanagement studiert und danach ein Jahr lang in einem großen Konzern gearbeitet. Ich habe schnell festgestellt, dass es nicht so mein Ding ist und habe mich frühzeitig dafür entschieden, mich selbstständig zu machen.
Lesetipp: Weitere Erfolgsgeschichten von Shopify-Händlern in Deutschland, Österreich und der Schweiz findest du hier.
Vor Josea Surfwear habe ich über Amazon Taschen importiert und verkauft – das war natürlich kein Projekt, wo Herzblut drinsteckt. Und dann fragt man sich unweigerlich nach dem Sinn: Wieso mache ich das jetzt eigentlich? Hat das einen Mehrwert für die Gesellschaft? Und trägt man etwas Gutes dazu bei, dass sich die Welt verbessert?
Diese Fragen konnte ich damals ganz konkret mit Nein beantworten. Daraufhin folgte ich meiner Leidenschaft und habe mich aufs Kitesurfen fokussiert, wodurch ich an die Geschäftsidee für Josea Surfwear gekommen bin.
Die ersten Prototypen nähte Jocelyns ehemalige Dozentin
Ich hatte am Anfang nur 1.800 Euro auf dem Konto als Startkapital.
Du hattest nur sehr wenig Kapital zur Verfügung. Wie bist du trotz der finanziellen Knappheit so erfolgreich geworden?
Ich hatte am Anfang nur 1.800 Euro auf dem Konto, also knapp 2.000 Euro Startkapital. Natürlich hatte ich damals auch Kontakte zu anderen Unternehmern und Gründern und viele haben Investoren mit drin, doch das kam für mich nicht infrage.
Wenn du viel Kapital zur Verfügung hast, gibst du es unbedacht aus. Hast du nur wenig Kapital, lernst du wirklich dich auf das Wichtigste zu konzentrieren.
Kapital ist cool und du brauchst es auch zum Wachsen, doch meine Erfahrung ist: Als ich viel Kapital zur Verfügung hatte, was in der Vorgründung der Fall war, habe ich sehr unbedacht Geld ausgegeben. Und wenn du nur ganz wenig Kapital hast, lernst du wirklich, dich auf das Wichtigste zu konzentrieren.
Und das hat mir am Anfang sehr geholfen, tatsächlich fokussiert zu bleiben und es ist bis heute noch so. Dadurch, dass wir so stark wachsen – und Wachstum kostet Geld – ist es so, dass wir uns permanent auf das Relevante konzentrieren müssen. Da hilft es natürlich, wenn das Kapital einen einschränkt.
So kannst du mit Abo-Commerce die Customer Lifetime Value Steigern.
Fokus ist der Schlüssel. Doch wie findet man heraus, was relevant und was irrelevant ist? Was ist beim Start eines Unternehmens besonders wichtig?
Beim Start habe ich die Erfahrung gemacht, dass es am besten ist, sich auf den Kunden zu konzentrieren. Für mich allein war das schon immer der wichtigste Punkt und auch heute ist es das Mantra für das ganze Team.
Alle sind kundenorientiert und wir fokussieren uns möglichst darauf, die Bedürfnisse des Kunden wahrzunehmen und auch aktiv daran zu arbeiten, das Produkt immer wieder zu verbessern, damit der Kunde das bestmögliche Produkt bekommt.
Denn es gibt heute so viele Onlineshops und einen Überbedarf an Gütern. Wenn man da wirklich auffallen möchte, dann sollte man unbedingt die Bedürfnisse des Kunden in den Mittelpunkt stellen.
Es klingt simpel, aber wie viele von den Gründern und den Super-Unternehmern ist noch auf der Ebene, dass sie sich mit dem Kunden unterhalten? Das sind die Wenigsten. Die meisten schauen nur auf die Zahlen und wie sich das Wachstum verhält. Doch manchmal ist es sehr hilfreich, wenn man sich zwei bis drei Stunden Zeit nimmt und einfach mal fragt: Wie ist es denn wirklich? Wie hat dir das Produkt gefallen? Wie bist du auf uns aufmerksam geworden? Daraus lassen sich so viele Strategien und Richtungsweiser ableiten.
In deiner Branche hast du direkten Kontakt zu deinen Kunden durch den Sport, der alle verbindet. Wie kommt das Kundenfeedback ansonsten bei dir an?
Die Teamrider - also die Sportlerinnen, die wir sponsern - entwickeln das Produkt mit.
Das Team bzw. die Teamrider, also die Sportlerinnen, die wir sponsern, entwickeln mit. Das Feedback, das sie uns geben, ist Gold wert. Daraufhin nehmen wir das Produkt in die Hand und können es permanent verbessern.
Das ist natürlich ein wahnsinniger Vorteil. Dadurch, dass wir die Produktion hier im Haus haben, können wir ganz leicht Veränderungen und Verbesserungen vornehmen. Daher ist es für uns ein permanenter Wachstumszustand bzw. ein Lernprozess.
Als der erste Prototyp stand und die Resonanz gänzlich positiv war – wie ging es weiter?
In meinem Kopf war die ganze Zeit der Kunde. In Brasilien bekam ich meine ersten Bestellungen von meinen Freunden. Am Anfang, bevor der Onlineshop da war, habe ich es im Prinzip so gemacht, dass ich einen Block dabei hatte und mir aufgeschrieben habe, was die einzelnen Mädels haben wollten.
Dann lag der Fokus darauf, den Kundinnen so schnell wie möglich das Produkt zu liefern. Im Klartext: alle Materialien für die Näherin bereitzustellen, sodass es fix geht und die Kundinnen zufrieden sind. Auch am Anfang lag der Fokus beim Kunden. Meine Dozentin hat die Bikinis genäht und ich habe sie über einen Shop mit Shopify verkauft.
Warum hast du dich für Shopify entschieden?
Bei Shopify hat man immer einen Ansprechpartner, wenn irgendwas schiefläuft.
Ich fand die Aufmachung, also das Design des Themes bei Shopify damals am schönsten. Auch, wenn man als Kunde dort browst, fand ich die Prozesse einfach und optisch sehr ansprechend. Doch aus Sicht der Unternehmerin finde ich vor allem den Chat-Support super. Man hat immer einen Ansprechpartner, wenn irgendwas schiefläuft.
Auch von anderen Händlern hatte ich zuvor gehört, dass Shopify die beste Shoplösung ist, wenn es darum geht international zu verkaufen.
Auch von anderen Händlern hatte ich zuvor gehört, dass Shopify die beste Shoplösung ist, vor allem, wenn es darum geht, international zu verkaufen. Ich habe mir auch keine anderen Shoplösungen angeschaut, ich war sofort von Shopify überzeugt. Und meinen Shopify Experten Oliver Schönbett habe ich erst kontaktiert, als es ums Programmieren ging. Davor habe ich alles selbst gemacht.
Josea Surfwear ist mehr als eine Marke, es ist eine Bewegung starker Frauen. Wie kommt deine Geschäftsidee in der Sport- und Surfindustrie an?
Die Gründerin von Josea Surfwear: Jocelyn Kotulla
Gut (lacht). Wir haben natürlich die coolsten Kunden überhaupt. Sie sind schon ziemlich aufgeklärt und leben sehr bewusst. Das heißt, sie ernähren sich im Durchschnitt relativ gesund, treiben Sport, verbringen viel Zeit in der Natur, haben generell diese Naturverbundenheit – das Konsumverhalten ist nicht so stark ausgeprägt wie bei anderen Zielgruppen. Sie kaufen nicht blind, sondern schauen, wo es hergestellt wird und unter welchen Bedingungen.
Daher bekommen wir sehr positives Feedback zu unserem Produkt und Unternehmen, zum Beispiel auch in Form von rührenden Briefen bis hin zur Schokolade. Das freut uns umso mehr, wenn man merkt, dass man etwas bewegt in Richtung Nachhaltigkeit.
Wir haben aber auch einige Kunden, denen es gar nicht so bewusst ist. Sie sind erst total verwundert, reagieren aber sehr positiv und verständnisvoll, wenn wir die direkte Kommunikation suchen. Deswegen verstehen wir uns auch etwas als Aufklärungsteam, um das Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu schaffen und das gesamte Konsumverhalten zu überdenken. Deshalb muss man da ganz klar und offen kommunizieren, was eigentlich Fairness ist und was Nachhaltigkeit bedeutet.
Viele Händler stehen vor dem gleichen Problem: Überproduktion oder lange Wartezeiten. Was würdest du ihnen raten?
Entwickelt ein so cooles Produkt, auf das der Kunde gerne wartet.
Lange Wartezeiten – das klingt immer sehr negativ. Warum muss eigentlich alles immer am nächsten Tag da sein? Wenn etwas gut ist, braucht seine Entwicklung nun mal Zeit. Mein Rat wäre es, ein so cooles Produkt zu entwickeln, auf das der Kunde gerne wartet. Denn würde ich in Vorproduktion gehen und Zehntausend Bikinis von einem Teil produzieren lassen, es aber nicht vollständig verkaufen, dann habe ich doch einfach nur Abfall produziert.
Das braucht keiner.
Die ganzen Angebote, die in der Stadt hängen – das ist ja kein Gefallen, den die Industrie dem Endverbraucher tun will, sondern das sind Restposten, die man anders nicht losgeworden ist. Und so müllen wir uns auf unserem Planeten zu. Und das geht einfach nicht mehr so weiter, da muss jetzt einfach ein Wandel stattfinden und da sehen wir uns auf jeden Fall als Vorreiter.
Zu deiner Nachhaltigkeitspolitik gehört die Produktion aus recyceltem Material. Dazu verwendest du Stoffe aus alten Fischernetzen. Wie bist du darauf gekommen?
Es ist nicht so, als hätten wir hier hinten eine Produktion, die alte Fischernetze verarbeitet (lacht). Überraschung. Das ist ein Prozess, der in einer Fabrik stattfindet. Dort werden unter anderem Fischernetze genommen und alte Teppichfasern. Das wird im Prinzip eingeschweißt und daraus entsteht so eine Art Granulat. Aus dem Granulat wird das Garn gewonnen und aus dem Garn wird der Stoff entwickelt.
Das haben wir nicht erfunden, das gab es natürlich schon. Der Stoff ist dementsprechend ein bisschen teurer als sonstige. Aber auf den Zug springen inzwischen auch schon viele auf. Tchibo hatte letztens eine Kollektion mit Leggins aus alten Fischernetzen herausgebracht – das ist natürlich ein super Werbemittel.
Wie ist es mit etablierten Sport- und Surfmarken? Wie stehen sie zu eurem Unternehmen?
Vor allem recycelte Materialien sind sehr beliebt. Ich glaube schon, dass sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auch Größen wie Roxy und Rip Curl beschäftigen. Und das ist auch gut.
Die Frage ist: Was ist meine Grundintention? Bin ich jetzt ein Riesenkonzern, der den Massenmarkt bedienen will, um daraus möglichst den maximalen Profit zu schlagen, oder positioniere ich mich und hab meine Zielgruppe, versuche da aktiv zu sein und einen guten Job zu machen.
Nachhaltigkeit bedeutet für uns viel, viel mehr als nur Stoffe aus recyceltem Material.
Denn Nachhaltigkeit bedeutet für uns viel, viel mehr als nur Stoffe aus recyceltem Material zu verwenden. Ich als Unternehmen kann immer behaupten, ich biete einen Bikini aus recyceltem Material an, doch verkaufe diesen für 19,99 Euro, weil er irgendwo in Indien produziert wird, einmal um die Welt geschickt worden ist und ich nicht weiß, wie es in der Fabrik aussieht und wie es der Näherin zu Hause geht. Zur Nachhaltigkeit gehört aber jedes einzelne Detail.
Die Bikinis werden in Hamburg gefertigt
Du warst vorher schon in der Modebranche tätig. Doch wie sollen Händler starten, die noch keine Kontakte und Vorkenntnisse in der Branche haben?
Sprich mit dem Kunden und entwickle danach ein gutes Produkt.
Einfach machen. Nicht so lange nachdenken, ob du schon deine Visitenkarten und dies oder jenes hast - das ist alles irrelevant. Sprich mit dem Kunden und entwickle danach erst ein gutes Produkt. Das ist das ganze Geheimnis.
Ich komme aus der Schuhbranche und hatte mit Textilien vorher nur wenig Berührungspunkte. Ich habe vorher noch nie gesehen, wie ein Bikini hergestellt wird. Die Lust am Lernen ist der Schlüssel. Denn, wenn man vor Barrieren steht, die man zunächst nicht zu bewältigen weiß, dass man trotzdem die Begeisterungsfähigkeit fürs Lernen bewahrt und Lust hat, sich in neue Sachen reinzufuchsen oder zumindest herauszufinden, wie es grob funktioniert und ganz viele Fragen zu stellen.
So hast du Angst etwas Falsches zu machen, also machst du lieber gar nichts.
Es heißt ja nicht, dass man in jedem Bereich ein Superprofi sein muss, aber zumindest, dass man ein Grundinteresse daran hat. Und Fehler begeht man sowieso. Das ist vor allem in Deutschland ein großes Problem, dass die Angst vorm Scheitern lebt. So hast du Angst etwas Falsches zu machen, also machst du lieber gar nichts.
Wer keine Tiefen haben will, der ist nicht richtig in der Selbstständigkeit.
Ich habe neulich mit einem britischen Freund gesprochen, der mir eben dieses Problem schilderte. Er sagte: “Viele Deutsche reden so abgehackt und fassen sich sehr kurz, weil sie einfach Angst davor haben, Englisch zu sprechen und etwas falsch zu sagen.” Für mich steht das symbolisch für die Deutschen, die wollen alles immer perfekt machen. Doch beim Unternehmertum gehört das Fallen dazu, du hast nun mal Höhen und Tiefen. Wer keine Tiefen haben will, der ist nicht richtig in der Selbstständigkeit.
Hör auf deine innere Stimme: Wie stark willst du es? Und wenn du Zweifel hast – man darf keine Sekunde zweifeln! Die Stärke und die Power braucht man.
Über die Autorin: Inara Muradowa ist Shopify Partner, SEO-Expertin und Corporate Blogger. Neben technischer Suchmaschinenoptimierung und SEO-Beratung steht sie Unternehmen mit Konzeption und Verfassen von professionellen Blogposts tatkräftig zur Seite.
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