Badeurlaub auf Sri Lanka und eine gute Lektüre. Martin Eckardt lag an einem der heißen Strände der südasiatischen Insel und las den Bestseller „Die 4-Stunden Woche.“ Der Autor beschreibt in seinem Werk die MBA (Management by Absence) Methode, die ihm dazu verhalf, weniger zu arbeiten und mit mehr Freizeit glücklich zu leben.
Inspiriert vom Schriftstück des amerikanischen Unternehmers, fasste Martin den Entschluss, seinen eigenen E-Commerce-Shop auf die Beine zu stellen. Ende 2016 war es endlich soweit. Den Durchbruch und erste Erfolge erzielte der junge Gründer mit nachhaltigen Geldbörsen aus Papierleder, die er unter seinem Firmennamen Fritzvold anbietet. Das Material ist waschbar, fühlt sich an wie Papier und verändert seine Beschaffenheit ähnlich wie Leder.
Doch Geldbörsen waren nicht immer Martins Beruf. Bevor der studierte Medientechnologe kündigte und sich für die Selbstständigkeit entschied, arbeitete er als Produktionsingenieur bei der Tagesschau.
Die Freiheit Dinge so zu machen, wie ich es mir vorstelle, hat mich extrem gereizt.
Das unbekannte Terrain des E-Commerce und insbesondere die Freiheit dahinter zogen Martin in seinen Bann. Bereits am ersten Tag seines Online Vertriebs, der über den Anbieter Amazon stattfand, verkaufte er 200 Exemplare der nachhaltigen Geldbörse. Diesen schnellen Erfolg verdankt Martin sicher nicht zuletzt seinem bereits für die ARD eingesetzten Fachwissen im Umgang mit Kameras. Durch die Videotechnik hatte er das richtige Mittel an der Hand, um an die ersten Verkäufe anzuknüpfen und das Marketing für sein Produkt voranzutreiben.
Im Interview mit Shopify hat Martin uns erzählt, warum er seinen Job bei der Tagesschau verlassen hat und wie er noch vor dem Verkaufsstart mithilfe von Facebookgruppen eine Audience für Fritzvold aufbauen konnte.
Lesetipp: Weitere Erfolgsgeschichten von Shopify-Händlern in Deutschland, Österreich und der Schweiz findest du hier.
Martin Eckardt, Gründer von Fritzvold.
Du warst in deinem früheren Leben als Produktionsingenieur bei der Tagesschau tätig. Warum hast du gekündigt?
Bei der Tagesschau war ich verantwortlich für die Videotechnik. Ich habe vor den Aufnahmen der Sendungen die Kameras eingestellt und die Prozesse überwacht. Bei Ausfällen und technischen Problemen musste ich sofort zur Stelle sein.
Die Arbeit für den Fernsehsender war für mich kein Übel, das ich um jeden Preis abschütteln wollte. Ganz im Gegenteil, ich verbinde ein Gefühl der Leidenschaft mit meiner früheren Tätigkeit. Dennoch vermisste ich eine gewisse Freiheit für eigene Entscheidungen und Flexibilität bezüglich meiner Lebenssituation.
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Diese Freiheit kannst du nun nutzen und für ein Digitalnomaden-Projekt für die nächsten sechs Monate in eine Kleinstadt ziehen. Welche Vorzüge reizen dich am Nomadentum?
Ein Nomade ist für mich jemand, der keinen festen Wohnsitz hat und ständig herumreist. Damit kann ich mich nicht identifizieren, so viel bin ich nicht unterwegs.
Meine Freiheit finde ich in meiner festen Homebase, die ich mir dort einrichten kann, wo ich gerade arbeiten möchte.
Aktuell ist das in der Stadt Wittenberge, zwischen Hamburg, wo mein eigentlicher fester Wohnsitz liegt, und Berlin. Wittenberge ist eine Kleinstadt in der zwar nur 17.000 Einwohner leben, doch Wohnflächen gibt es dort für 40.000 Menschen. Die brandenburgische Kleinstadt, die unter einer starken Landflucht leidet, möchte ihre Leerstände füllen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Stadtverwaltung eine Ausschreibung veröffentlicht, der meine Frau und ich nicht widerstehen konnten.
Das Angebot namens Summer of Pioneers möchte digital Arbeitende in die Stadt ziehen. Eigens für sie wurde ein Coworking-Space eingerichtet, in dem sie ihrer Tätigkeit für sechs Monate nachgehen können. Im Gegenzug leben die meist jungen Arbeitnehmer oder Selbstständigen in dem provinziellen Ort und füllen eines der unbewohnten Häuser.
Die ländliche Stadt und ihre netten Bewohner bieten mir extrem viel Potenzial, um mich zu entfalten.
Der Schritt nach Wittenberge war eine willkommene Möglichkeit das ländliche Leben kennenzulernen und aus der Großstadt Hamburg herauszukommen. Zwischen Feldern, Wäldern und einem historischen Stadtkern arbeiten wir nun ein halbes Jahr lang für Fritzvold.
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Ortsunabhängiges Arbeiten und dabei reisen gilt als der Traum für viele Arbeitstätige. Aber ist es nicht doch zu schön, um wahr zu sein?
Ich bin von dem Wittenberger-Projekt begeistert. Ich konnte nur Teil des Ganzen werden, weil ich meine Tätigkeit im Fernsehstudio der ARD aufgegeben und mein eigenes Business gegründet habe. Natürlich ist nicht alles rosig, nur weil man seine Tätigkeit unabhängig von einem festen Arbeitsort verrichten kann. Zurück in ein Angestelltenverhältnis würde ich trotzdem nicht wollen. Mit Verlustängsten, den Schattenseiten des Unternehmertums, lernt man zu leben.
Die Freiheit, die man mit dem eigenen Business gewinnt, kann auch beängstigend sein. Wer sein eigener Chef ist, muss alle Entscheidungen selbst treffen und die Verantwortung tragen, auch wenn etwas schiefgeht.
Reisen unternehme ich trotz aller Freiheiten lieber in meinem Urlaub. Wenn ich unterwegs bin, um neue Orte zu entdecken oder mich zu entspannen, möchte ich nicht arbeiten, sondern meine Freizeit genießen. Ich versuche die Arbeit auf Reisen zu minimieren. Am produktivsten Arbeite ich ohnehin zu Hause.
Unsere Unterkunft in Wittenberge ermöglicht uns eine Zwischenlösung. Wir befinden uns an einem schönen, grünen Ort und können dennoch einem geregelten Tagesablauf nachgehen, ohne Angst zu haben, den nächsten Flieger zu verpassen. Die Urlaubsroutinen verändern sich natürlich mit dem Schritt in die Selbstständigkeit.
Auch wenn man in den Ferien ist, muss man immer mal wieder einen Blick auf das Geschäft werfen.
Lesetipp: Erfahre, wie du für einen (Re-)Launch in nur 10 Schritten deine neue Website ankündigen kannst.
Ist E-Commerce das Mittel zur Freiheit?
Auf der Suche nach der freiheitlichen Alternative zum Job bei der Tagesschau durchforstete ich das Netz nach Märkten, in die ich als Newcomer einsteigen könnte. Die erste Priorität bei meiner Recherche war nicht das Produkt, das ich verkaufen würde, sondern die Option es online und ortsungebunden vertreiben zu können. Nach dem Verkaufsstart auf der Plattform Amazon kam ich schnell an den Punkt, an dem ich einen eigenen Shop aufbauen wollte.
Amazon bietet für den Start ins Business sicher einen guten Einstieg. Die Plattform hat Vor-, aber auch Nachteile.
Bei Amazon musste ich mich den Regeln des Konzerns unterwerfen. Eine direkte Kommunikation mit den Kunden war nicht möglich. Die wichtigen Rückmeldungen und das Feedback von Verbrauchern blieb auf der Strecke, also musste eine zusätzliche Lösung her: Ein eigener Onlineshop.
Die Bekanntschaft mit Shopify habe ich im Gespräch mit Freunden gemacht. Bis heute glaube ich, dass die Wahl des Systems eine jener guten und richtigen Entscheidungen meiner Geschäftstätigkeit war.
Lesetipp: Amazon, Ebay oder eigener Shopify Store: Wo sollten Onlinehändler verkaufen? Die Antwort findest du hier.
Mit Shopify funktioniert alles und ist schön einzurichten. Ein Traum.
Wichtig war mir vor allem eine gute Bedienbarkeit, eine nicht zu geringe App-Auswahl und die Integrierbarkeit der Applikationen in meine Anwendung. Obwohl ich selbst ein paar Programmierskills vorweisen kann, hatte ich keine Lust ausführliche Veränderungen und Anpassungen vorzunehmen. Ich wollte, dass einfach alles läuft und ich mich um die Produkte und das Marketing kümmern kann.
Bereits vor dem Launch deines Onlineshops hattest du eine feste Audience. Wie hast du das erreicht?
Die Kontakte, die ich über Amazon nicht herstellen konnte, fand ich in Facebook-Gruppen. Ich habe Posts abgesetzt, die ich gezielt sehr locker und offen verfasst habe, ohne zu sehr auf den Verkauf meiner Produkte zu drängen. Dadurch konnte ich viele Abonnenten für ein Newsletter-Angebot gewinnen. Interessenten wurden so schon vorab über die Entstehung und den Launch des Shops auf dem Laufenden gehalten. Zusätzlich erhielten sie die Möglichkeit per E-Mail Produktwünsche zu äußern und konnten die Produktentwicklung aktiv mitgestalten.
Eine Geldbörse – man glaubt es kaum – ist ein emotionales Produkt. Kunden kaufen nicht einfach das nächstbeste Portemonnaie. Stattdessen informieren sie sich und stellen Recherchen zum Material, zu der Verarbeitung und Aufteilung der Fächer an. Jeder hat ganz bestimmte Vorstellungen von der perfekten Brieftasche.
Die Fritzvold Geldbörse.
An dieser Emotionalität konnte ich anknüpfen, um Traffic auf die Seite zu bekommen. Die Arbeit mit Influencern war dafür sehr hilfreich. Auf der Basis persönlicher Erfahrungen und gefühlsbetonter Kommunikation im Rahmen von Produkttests werden die Geldbörsen über die Kanäle bekannter YouTuber vorgestellt. Kunden, die dadurch auf die Portemonnaies stoßen, bekommen eine unabhängige Meinung von Testern der Artikel und entscheiden sich anschließend häufig für den Kauf.
Lesetipp: Die ultimative Anleitung zum Start eines Onlineshops findest du hier.
Review: Fritzvold Minimal Wallet – vegane Brieftasche
Außerdem habe ich im Austausch mit den Influencern die Möglichkeit, meine Marketingstrategie anzupassen und die Geldbörsen auf Herz und Niere zu testen. Die YouTuber liefern mir Antworten auf Fragen wie:
- Warum ist das Produkt gut?
- Welche Mängel weist es auf?
- Welche Eigenschaften fehlen ihm?
- Welche Zweifel könnten Interessenten haben?
Zusätzlich verwendete ich Mailchimp und ein Opt-in Formular, über das Interessenten sich für den Newsletter eintragen konnten. So habe ich kurz vor dem Launch des Shops eine Landingpage mit Produktbildern und informativen Inhalten online gebracht. Damit konnte ich bereits vorab Kunden für Fritzvold gewinnen. Google-Shopping, Word-to-Mouth-Marketing und ein eigener YouTube Kanal runden das Fritzvold-Marketing ab.
Neben Fritzvold hast du zusammen mit deiner Frau Lazy Investors gegründet. Eine Plattform für Weiterbildungen zum Thema Altersvorsorge. Wie schaffst du es gleichzeitig zwei Unternehmen zu betreuen?
Langweilig wird es uns zwischen Marketing und Kundenkommunikation nie. Abwechslung im Tagesgeschäft und der Aufbau eines zweiten Standbeins haben uns dazu veranlasst, es mit einem weiteren Projekt zu versuchen. Zwei Köpfe, zwei Geschäfte. Inzwischen laufen viele Prozesse intuitiv ab, wir haben ein gewisses Gespür für Entscheidungen und Feinheiten im Tagesgeschäft entwickelt.
Zwei Geschäfte zu führen, ohne hin und wieder den Fokus zu verlieren, ist nahezu unmöglich. Dennoch kann man, wenn man gerade mal keine Lust zu einer Arbeit hat, leicht zu einer anderen Aufgabe wechseln und ist trotzdem noch produktiv.
Martins ultimative Tipps für Gründer
Martin und seine Frau haben sich selbst Jobs geschaffen, die sie glücklich machen und ihnen Freiheit und Flexibilität bieten. Anderen Gründern und denen, die es noch werden wollen, gibt der Fritzvold-Erfinder 5 Tipps mit auf ihren Weg:
Tipp 1: Nicht sofort kündigen. Wer nicht absolut unglücklich in seinem Job ist, sollte ihn nicht kündigen, bevor er sich ein Grundgerüst für die Selbstständigkeit kreiert hat. Manchmal findet selbst eine gute Idee keinen Platz auf dem Markt. Die ersten Versuche sind schwierig, darum ist es sinnvoll, sein Gewerbe zunächst neben dem bestehenden Job aufzubauen.
Tipp 2: Einzigartigkeit des Produkts finden. Am Anfang ist es wichtig herauszufinden, welches Produkt verkauft werden soll. Was ist das Produkt? Welches Material wird verwendet? Welches Alleinstellungsmerkmal zeichnet es aus?
Tipp 3: Testen und optimieren. Hat ein Unternehmer die Entscheidung getroffen, welches Produkt er anbieten will, welche Materialien verwendet werden sollen und für welche Einsatzmöglichkeiten der Artikel geeignet ist, sollte dieser ausführlichen Tests unterzogen werden. Werden die Interessierten den Artikel in der Form, in der ich ihn anbieten will, kaufen? Welche Mängel weist er auf? Eignet er sich für den Zweck, den Kunden von ihm erwarten?
Tipp 4: Audience aufbauen. Steht fest, welches Produkt angeboten wird, sollten Werbemaßnahmen eingeleitet werden. Facebookgruppen haben sich für Martin als sehr nützlich erwiesen, um schon vor dem Launch einen Kundenstamm aufzubauen.
Tipp 5: Nicht aufhören, sich selbst zu motivieren. Im Laufe der Gründung eines Unternehmens ist die Motivation nicht immer gleichbleibend hoch. Es gibt Phasen, in denen Selbstständige zweifeln und sich fragen, ob die Arbeit am eigenen Label sich eigentlich lohnt. In solchen Zeiten ist es wichtig, sich immer wieder aufs Neue zu motivieren, um nicht die Leidenschaft für das Produkt zu verlieren.
Wenn es nach Martin geht, kann es mit Fritzvold erst mal genauso weitergehen wie bisher. Die laufende Optimierung der Produkte ist für ihn selbstverständlich und die Planung sieht bereits neue Projekte rund um die Geldbörsen vor. Zusätzliche Mitarbeiter sollen für Fritzvold erst mal nicht eingestellt werden – zu viel Verantwortung, zu wenig Freiheit. Der optimistische Gründer ist zufrieden mit seiner derzeitigen Unabhängigkeit und dem Leben eines digitalen Nomaden, der eigentlich keiner ist.
Über die Autorin: Inara Muradowa ist Shopify Partner, SEO-Expertin und Corporate Blogger. Neben technischer Suchmaschinenoptimierung und SEO-Beratung steht sie Unternehmen mit Konzeption und Verfassen von professionellen Blogposts tatkräftig zur Seite.
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