Nach 10 Jahren bei einem bekannten Premium-Label war es für die Designerin Sandra Cornelia Milacher an der Zeit, ihr eigenes Ding zu machen: Mit der Luxury-Loungewear-Marke youlookperfect wagte sie den Schritt in die Selbstständigkeit – direkt aus der Elternzeit.
Hochwertige Pullis, die sich lässig und weich anschmiegen, beige und hellbraune Hosen aus einem Kaschmir-Mix und Schals, die auch den kältesten Wind in eine angenehme Brise verwandeln: Das ist der Stoff, aus dem Sandras Business-Träume gestrickt sind. Mit ihrer Mode möchte sie Frauen das wohlige Gefühl geben, dass Lieblingsteile auch bequem sein dürfen. “Den Loungewear-Gedanken hatte ich schon seit dem Studium in meinem Kopf, bei dem ich extrem viel zuhause gearbeitet habe. Und wenn jemand an der Tür geklingelt hat, war das mehr als peinlich, wie man dann aussah – und das als Modestudentin. Da dachte ich: Das muss doch irgendwie besser zu lösen sein“, sagt Gründerin Sandra.
Nach zehn Jahren als festangestellte Designerin entschied sie sich, endlich etwas Eigenes zu machen – mitten in der Babypause. Sandra schrieb einen Businessplan, entwarf erste Designs, suchte Lieferanten. Stück für Stück baute sie ihr Business auf, zwischen Windel und Fläschchen. Für sie war es genau der richtige Moment.
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Sandra Milacher, Gründerin von youlookperfect
Warum die Selbständigkeit für Mütter eine gute Option ist
“Ich habe schon vorher gesehen, was für einen Spagat Mütter machen müssen, um allen gerecht zu werden“, erklärt Sandra. “Viele quetschen eine 40-Stunden-Woche in 25 Stunden – und werden trotzdem als Teilzeitkraft nicht so ernst genommen. Das fand ich abschreckend.“ Und da sie ohnehin schon lange selbstständig sein wollte, wagte sie den Sprung in die eigene Unternehmung. Gerade mit Kind.
Die Freizeit schrumpft gegen null, aber da kommen auch wieder andere Zeiten.
Sandra empfindet das Arbeiten von Zuhause als großen Vorteil: Zwischen E-Mails und Bestellungen stellt sie fix eine Waschmaschine an, geht einkaufen oder kümmert sich um ihren Sohn, wenn er mal krank ist. Sobald ihr Kind in der Kita oder bei den Großeltern ist, verwandelt sich Sandra in eine Vollblut-Unternehmerin und legt los: “Dann bin ich super konzentriert und vergesse die Zeit.“
Würde sie immer noch in einem Büro arbeiten, wäre die psychologische Hürde zu groß, sich nochmal ans Werk zu machen – heute bringt sie auch abends, wenn der Kleine schläft und am Wochenende, ihr Business voran. Für sie ist es die optimale Verbindung von Karriere und Familie.
Dass das Kinderbetreuungsnetz in Österreich, wo die gebürtige Deutsche lebt, noch nicht so weit ausgebaut ist wie in Deutschland, gibt Sandra zu bedenken. Doch durch die Unterstützung der Großeltern sei es ihr möglich, viel intensive und schöne Mama-Kind-Zeit mit ihrem Kleinen zu verbringen und zugleich ihren Traum vom eigenen Label professionell aufzuziehen und wachsen zu lassen. Denn wo ein Wille ist, da findet eine Business-Mama immer auch einen Weg.
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Der Traum vom kreativem Flug
Schon während ihrer Festanstellung träumte sie immer wieder von der Selbstständigkeit. “Als Designer werden dir immer die Flügel gestutzt“, erklärt Sandra. Da gerade große und bewährte Marken eher auf Nummer sicher gehen, könne sie als Designerin erst so richtig kreativ sein, wenn sie freie Hand hat und ihre eigene Chefin ist. In ihren Kreationen kann sie ihre eigene Handschrift hinterlassen und Werte umsetzen, die ihr wichtig sind: Sandra möchte Lieblingsstücke designen, die nicht nur schön aussehen und sich gut anfühlen, sondern die auch mit gutem Gewissen getragen werden können: Die Kollektion ist fair produziert und auch ein nachhaltiger Umgang mit den Rohstoffen liege ihr am Herzen.
“Aber, wie das so ist, wenn ein Stein rollt und sich das Leben ändert, dann ändert sich manchmal alles“, sagt Sandra. Die Idee zu ihrer Loungewear brachte alles ins Rollen: Und zehn Jahre später entstand aus der Idee einer zuhause arbeitenden Studentin eine edle Modemarke. Zugleich kann sie jederzeit für ihren Sohn da sein. Heute ist sie froh, dass sie sich nicht wie viele andere Mütter zwischen Kind, Arbeit und Haushalt zerreißen muss, sondern sich neben ihrem Business entspannt um ihren Sohn kümmern kann.
Wohlfühlkleidung jeden Tag - youlookperfect
Wie der Einzelhandel es Start-ups schwer macht
Bevor sie im September 2018 mit ihrer fair und nachhaltig produzierten Wohlfühlkleidung an den Markt ging, informierte sie sich über die Branche, belegte Marketing- und Gründerkurse, suchte Lieferanten. Anderthalb Jahre lang. Dann nahm alles langsam Form an – vor allem ihre Loungewear: Sandra machte ihre erste Kollektion zu Mustern, suchte Models, machte ein Fotoshooting ihrer Designerstücke und dann sollte es an den Markt gehen.
Doch aller Anfang ist schwer: Viele Boutiquen, Händler und Lieferanten lehnten die Zusammenarbeit ab – man arbeite nun mal nicht mit Start-ups zusammen. Doch Sandra glaubte weiter an ihre Idee: “Ich gehe jetzt in die Produktion – volles Risiko.“ Und ihr Mut wurde belohnt: Zu ihren ersten Kunden gehörten einige Luxushotels: “Dort ist meine Kundin zuhause“, weiß Sandra. In der hoteleigenen Boutique können die Kundinnen ihrer Shopping-Laune nachgehen und sich ein gemütliches Outfit zusammenstellen.
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Warum ein Business in der Nische am besten gedeiht
Die Hotels kontaktierte Sandra direkt und konnte sich damit schon mehrfach gegen große Konkurrenten durchsetzen. Momentan laufen alle Fäden der Strickmarke bei ihr zusammen: “Eigentlich mache ich alles: CEO, Design, Vertrieb und Marketing-Aktivitäten gehören zu meinen Aufgaben. Ich bin auch die Lagermitarbeiterin, die die Päckchen verschickt.“ Sie hofft aber, bald Mitarbeiter einstellen zu können.
Damit Sandras Werte auch von den Lieferanten getragen werden, griff sie einerseits auf jene zurück, die sie bereits aus ihrer Zeit als Designerin kannte, andererseits aber auf welche, die ihr von anderen Freunden aus der Branche empfohlen wurden – oder sie nutzte ganz klassisch die Google-Recherche. “Das war schon ein bisschen aufwendig, aber wenn man Zeit und Mühe investiert, dann geht das“, erklärt sie.
Doch auch viele Lieferanten erteilten ihr teils Absagen, weil sie “nur“ ein Start-up sei. In Italien und Ungarn stieß sie dann auf genau die richtigen Hersteller, die ihre ökologischen und fairen Ideale teilen. Erste Produkte lagerten in ihrer Wohnung. Gerade mit Kind empfindet Sandra es als wertvoll, ihr Lager vor Ort zu haben.
Sandra Milacher zwischen Arbeit und Kinderzimmer
Selbst ist die Frau – ganz ohne Investoren
Investoren möchte sie vorerst nicht ins Boot holen: “Ich habe einfach Angst, dass meine Werte dann in Frage gestellt werden. Deshalb möchte ich es dabei belassen, dass 100 Prozent bei mir sind.“ Ihre erste Kollektion entstand komplett in Eigenregie. Schnell kam Sandra an den Punkt, an dem sie sich sagte: “Entweder hörst du jetzt auf, weil der Einzelhandel nicht offen für neue Sachen ist oder du versuchst das Ganze jetzt selbst online zu starten.“ Als ihr diese Idee kam, baute sie ihre Portfolio-Homepage völlig um und ließ sich nach einigen fehlgeschlagenen Selbstversuchen von Eshop Guide ein gut laufendes Warenwirtschaftssystem mit Shopify einrichten: “Damit bin ich sehr happy.“
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Von Wix zu Shopify: Onlineshop mit Tücken
Sandra ist froh, dass sie sich dafür entschieden hat, den Aufbau ihres Webshops aus der Hand zu geben. Ihre eigenen Versuche mit Wix waren kaum von Erfolg gekrönt: Mit der User Experience und der Performance war sie mehr als unzufrieden. Und am Ende riefen die Kundinnen sogar teilweise an und bestellten per Telefon, weil der Shop nicht tat, was er sollte. Doch eines schien die ganze Zeit klar: Ihre Produkte überzeugen – und die Kundinnen bestellten, auch wenn der Shop mal wieder lahmte.
Lesetipp: Einen Vergleich: Wix vs. Shopify findest du hier.
Seit ich mit Shopify arbeite, hat sich die Absprungrate halbiert.
“SEO-technisch war das eine Katastrophe“, erinnert sich Sandra. “Es hat so viele Probleme damit gegeben, dass eine Marketing-Agentur alles unter die Lupe genommen hat und mir dazu geraten hat, gleich einen ganz neuen Shop aufzubauen.“ Und das sei eher ungewöhnlich, da Agenturen meist dazu rieten, einen bestehenden Shop auszubauen und zu überarbeiten, als ihn einzureißen und einen neuen zu bauen.
Um ihre Brand bekannter zu machen, schaltet sie deshalb Anzeigen im Netz: aktuell 50 Prozent auf Facebook und je 25 Prozent auf Instagram und bei Google. Ihren Blog nutzt sie dagegen weniger für Werbung und mehr dafür, einen Lifestyle zu vermitteln. Über Amazon verkauft sich ihre Ware kaum. Sandras Kunden suchen ein digitales Erlebnis – das könne Amazon nicht bieten.
Lesetipp: Amazon, Ebay oder ein eigener Shop? Wo Onlinehändler verkaufen sollten, steht hier.
Die schlichten Produktfotos vor weißem Hintergrund, die Amazon standardmäßig fordert, werden ihrem Wohlfühl-Label nicht gerecht. “Die Kundinnen müssen sich vorstellen können, wie das angezogen aussieht und das ganze Outfit problemlos kaufen können“, sagt Sandra. Dafür braucht Sandras Marke nun mal immer Models und das passende Ambiente.Für Sandras Mode wurde in den Luxushotels eine kuschelige Ecke eingerichtet. Neben Duftkerzen und warmen Socken finden die Kundinnen in den Hotelshops Sandras Kollektion: Weiche Schals in dezenten Farben, lässige Lounge-Hosen und Oversize-Oberteile. Alles, damit es sich Frauen so richtig gemütlich machen können – und zugleich gut aussehen.
Immer gut aussehen mit der Loungewear von youlookperfect
Lesetipp: Alle Tipps dazu, wie man einen Onlineshop startet, findest du hier.
Kein neues Rad, nur ein anderes
In Europa gibt es kein Loungewear-Label, das vergleichbar ist. In ihrer Marktlücke fühlt sich Sandra wohl. Mit ihrer eigenen Marke hat sie es nicht nur all denen gezeigt, die nicht an ihr Start-up geglaubt haben, sondern hat sich selbst gleich zweifach verwirklicht: Als Gründerin – und als Mutter.Man muss es einfach mal anders machen als die anderen.
Über die Autorin: Inara Muradowa ist Shopify Partner, SEO-Expertin und Corporate Blogger. Neben technischer Suchmaschinenoptimierung und SEO-Beratung steht sie Unternehmen mit Konzeption und Verfassen von professionellen Blogposts tatkräftig zur Seite.
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