In dieser Reihe stellen wir Unternehmer vor, die Verzweiflung gut nachvollziehen können. Jetzt, nachdem die Tiefpunkte überwunden und sie geschäftlich erfolgreich sind, berichten uns diese Personen von ihren größten persönlichen und finanziellen Krisen, und was sie auf ihrem Rückweg in die schwarzen Zahlen gelernt haben.
Bereits im Alter von 24 verdiente Reid Hemsing ein beneidenswertes Gehalt in Albertas lukrativer Öl- und Gasbranche. Morgens packte er seine Arbeitskleidung in eine Fahrradtasche, die er zum Transport von Anzügen entworfen hatte und abends nähte er nach der Abend genau diese Taschen in seinem Keller. Two Wheel Gear war bis dato ein reines Nebengeschäft und Reid investierte vier Jahre lang Geld, seine Abende und Wochenenden in die Marke, ohne Gewinn zu machen.
Doch im Jahr 2014 hatte Reid auf dem Parkplatz eines Supermarktes die Erleuchtung. “Ich dachte plötzlich: ‘Wenn ich so weitermache, werde ich zwar finanziell erfolgreich sein, aber ich baue nicht das Vermächtnis auf, das ich will.” Er kündigte seinen Job bei der Öl- und Gasfirma, verließ Familie und Freunde und zog nach Vancouver, um sich mit seinem neuen Geschäftspartner hauptberuflich seinem Unternehmen und Shopify-Store Two Wheel Gear zu widmen.
Direkt im ersten Jahr, nachdem er ein großes Geschäft mit dem kanadischen Einzelhändler Mountain Equipment Co-op (MEC) abgeschlossen hatte, bekam er einen Schlag versetzt: sein Partner wollte aus dem Geschäft aussteigen. Da Reid ein Darlehen aufgenommen und alles in sein Geschäft gesteckt hatte, stand er nun vor einem Berg Schulden. Er war ratlos: Wie sollte er seinen Partner auszahlen und sich selbst gleichzeitig über Wasser halten?
Reid erzählte uns folgendes:
“Ich hatte während meiner Zeit in der Öl- und Gasbranche etwa $33.000 zur Seite gelegt, die ich in den Aufbau der Firma gesteckt hatte. Wir hatten ein Büro gemietet und ein paar gebrauchte Schreibtische und Stühle gekauft. Dann haben wir zwei Darlehen in Höhe von insgesamt $85.000 aufgenommen, um die Produktion ins Rollen zu bringen. Anfangs konnten wir niemandem viel Geld zahlen. Sobald man eine Weile bei einem Unternehmen gearbeitet und ein gutes Gehalt verdient hat, verliert man irgendwie das Gefühl dafür, wo das Geld überhaupt herkommt. Zumindest war es so bei mir.
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Eines morgens im Dezember 2014 meinte mein Partner, er würde gerne aus dem Geschäft aussteigen. Und er wollte $40.000 von mir. Acht Monate zuvor hatte er nur $4.000 hineingesteckt. Bis dahin war noch nicht einmal klar, ob sich die Taschen überhaupt verkaufen würden. Wir hatten zwar online ein paar wenige Artikel verkauft, aber noch nicht wirklich Umsatz gemacht. Wir waren verschuldet und hatten alles in die Produktion gesteckt. Ich hatte einfach kein Geld, um ihn auszuzahlen. Ein Jahr vorher hatte ich noch gedacht, dass wir super erfolgreich werden würden. Doch jetzt wollte mein Partner, der mittlerweile mein bester und (ich wage es kaum zu sagen) einziger Freund in Vancouver geworden war, aussteigen.
Ich versuche immer, alles allein zu machen, aber mir ist nun klar, dass man manchmal um Hilfe bitten muss.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Irgendwie war alles um mich herum zusammengebrochen. Vielleicht sollte ich einfach aufgeben. Ich fuhr in einer 12-stündigen Autofahrt zu meinen Eltern. Drei Tage lang redeten wir nicht wirklich darüber. Mein Vater ist eher vom alten Schlag - ein ruhiger, hart arbeitender Mann. Er spricht nicht gern über Geld. Aber am letzten Abend saßen er und ich zusammen und tranken Scotch, als er fragte: ‘Wie viel brauchst du?’ Das werde ich nie vergessen.
Es war hart, so weit unten am Boden zu sein. Mittlerweile hab eich aber auch das Gefühl, dass es mich und meine Eltern näher zusammengebracht hat. Ich denke, dass sie damals zum ersten Mal begriffen, was ich überhaupt tat und wieso es mir so viel bedeutete. Ich versuche immer, alles allein zu machen, aber mir ist nun klar, dass man manchmal auch um Hilfe bitten muss.
Der Druck und der Stress, den ich verspürte, war immens. Ich hatte einen guten Job gekündigt und viele gute Freunde verlassen.
Die Rückkehr nach Vancouver zog mich ziemlich runter. Eine Weile fühlte ich mich total einsam. Ich kam nur knapp über die Runden und schaffte es am Monatsende gerade mal so meine Kreditkartenrechnung abzuzahlen. Es war Monat für Monat dasselbe Spiel. Der Druck und der Stress, den ich verspürte, war immens. Ich hatte einen guten Job gekündigt und viele gute Freunde verlassen. Auf keinen Fall wollte ich der Typ sein, der als riesiger Träumer weg geht und dann bei erster Gelegenheit versagt.”
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Doch Reid und sein Unternehmen rappelten sich wieder auf. Reid gewann den regional Handelspreis als “Bester Markthändler” für seine Arbeit mit Two Wheel Gear und wurde zum Delegierten des G20 Youth Entrepreneurship, einem globalen Gründernetzwerk, ausgewählt. Seit der ersten Bestellung von MEC haben sich die Verkäufe von Two Wheel Gears über den kanadischen Einzelhändler jedes Jahr verdoppelt. Außerdem werden Reids Fahrradtaschen inzwischen direkt an Kunden überall auf der Welt versandt.
Hast du eine Geschichte, die du über den finanziellen Kampf erzählen möchtest? Berichte uns mehr.
Bild: Germán González
Geposted von Hendrik Breuer: Hendrik ist Redakteur des deutschen Shopify-Blogs. Möchtest du einen Gastbeitrag veröffentlichen? Dann lies bitte zuerst diesen Leitfaden.
Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Englisch auf dem Blog von shopify.com und wurde übersetzt.
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