Die Corona-Pandemie hat alle Lebensbereiche fest im Griff, vor allem der lokale Einzelhandel muss durch die Lockdowns massive Einbrüche hinnehmen. Der Händler für Antikmöbel Antik Acente sah die Veränderungen während des ersten Lockdowns allerdings als Chance, den Sprung in den E-Commerce zu schaffen. Wie ihm das gelang, erfährst du im Interview.
Geschäft geschlossen – und nun?
Kaum ein Unternehmen bleibt von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise verschont. Vor allem der stationäre Einzelhandel ist stark betroffen. Etwa 13 Prozent aller deutschen KMUs fürchten mittlerweile um ihre Existenz. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des B2B-Dienstleisters Visable.
Während der Umsatz im Einzelhandel monatelang brach lag, verzeichnete der Onlinehandel in Deutschland ein deutliches Wachstum von mehr als 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie aktuelle Messzahlen von Destatis zeigen.
Der Kölner Antikmöbelvertrieb Antik Acente geht als gutes Beispiel für mittelständische Händler voran, die die Krise als Chance für die Digitalisierung nutzen wollen. Im Interview erzählen Gründer Peter Grützmacher-Braun und sein Sohn Marvin Vincent Braun, wie ihnen in nur sieben Tagen der Einstieg in den E-Commerce gelungen ist. Außerdem haben sie verraten, was sie unternehmen, um ihr Geschäft anzutreiben, die Mitarbeiter weiter bezahlen zu können und ihre Existenz zu sichern.
Gründer von Antik Acente, Peter Grützmacher-Braun (zweiter von rechts) und Sohn Marvin Vincent Braun (rechts)
Antik Acente – stationärer Handel mit Tradition
Das Familienunternehmen mit einer Leidenschaft für antike Möbel bedient seine Kölner Kunden seit über 20 Jahren im Belgischen Viertel. Anfang der 90er Jahre gründete Eigentümer Peter, damals noch mitten im BWL-Studium, den Antiquitätenhandel gemeinsam mit einem Freund. Sie stöberten stundenlang nach antiken Gegenständen auf Flohmärkten und restaurierten sie mit viel Liebe, um ihnen wieder Leben einzuhauchen. Viele der Artikel sind bis zu 350 Jahre alt. Durch die Aufarbeitung antiker Möbel bietet der Möbelhändler eine langlebige Alternative zu den heutigen Massenanfertigungen, die oft genug nur Ressourcen verschwenden und eine Lebensdauer von ein paar Jahren haben. „Es gibt nichts Besseres als ein antikes Möbelstück“, meint Peter.
Seit der gezwungenen Ladenschließung durch das Corona-Virus musste er sich eine Alternative überlegen, um das Geschäft am Leben zu halten und seine drei Mitarbeiter bezahlen zu können. Denn als die einschränkenden Maßnahmen in Kraft traten, konnten Peters Kunden die antiken Unikate auf der zweistöckigen Ausstellungsfläche von 800 Quadratmetern plötzlich nicht mehr bewundern.
Ihr seid seit mehreren Jahrzehnten im Geschäft. Wie habt ihr bisherige Krisen gemeistert?
Peter: Zu Beginn des Unternehmens, in den 90ern, kam unser Konzept wirklich gut an. Kunden stürmten buchstäblich unseren Laden. Nach der Jahrtausendwende ging die Nachfrage nach Antiquitäten langsam zurück.
Die meisten meiner Mitstreiter haben deshalb die Segel gestrichen und aufgehört. Unsere Zielgruppe von vor 30 Jahren ist mittlerweile in ihren Siebzigern oder Achtzigern und kauft nur noch selten, wenn überhaupt, Möbel ein. Die Nachfrage sank immer weiter und mittlerweile sind wir fast die einzigen Händler in dieser Branche.
Ein Grund, weshalb unser Laden diese Zeit überlebt hat, ist seine Größe und Lage. Wir haben genügend Platz für Ladenfläche, Werkstatt und Lager am gleichen Ort und unsere Schaufensterfront geht über 20 Meter. So bleiben wir nicht unbemerkt. Zudem bin ich schon seit langer Zeit im Geschäft, sodass wir uns über die Jahre einen Namen gemacht haben.
Lesetipp: Im Gedächtnis bleiben: Wie du einen einprägsamen Firmennamen findest, kannst du hier nachlesen.
Marvin: Ein weiterer Grund ist unsere Anpassungsfähigkeit. Dazu gehört, Trends zu beobachten und unser Geschäftsmodell gegebenenfalls anzupassen. Wir hatten anfänglich sowohl Antiquitäten als auch moderne Möbel in einem Verhältnis von 60 zu 40. Jetzt besteht unser Angebot zu 95 Prozent aus Antiquitäten. Die modernen Möbelstücke, die wir damals im Repertoire hatten, werden nun auch von großen Möbelhäusern angeboten und von unseren Kunden nicht mehr nachgefragt.
Ein weiterer Faktor ist der Wandel des Konsumentenverhaltens. Mit zahlreichen Fernsehsendungen zu eben dieser Thematik kommen Antiquitäten langsam zurück in das Bewusstsein der Konsumenten. Auch der Nachhaltigkeitsgedanke wird immer stärker und hat unser Geschäft wieder angetrieben. Zumindest bis zum Ausbruch von Corona.
Die antiken Möbelstücke sind im Kölner Ladengeschäft auf zwei Etagen zu bewundern
War die Ladenschließung die ultimative Katastrophe?
Peter: Es war auf jeden Fall eine Katastrophe für das Ladengeschäft und unsere finanzielle Situation. Leider haben wir als Unternehmen mit Angestellten nicht mehr staatliche Fördermittel erhalten als Einzelunternehmer. Die Corona-Finanzspritze ist bei unseren laufenden Kosten deshalb lediglich ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Man darf sich nie darauf verlassen, dass die Dinge so bleiben, wie sie sind.
Die Lage war zwar Ernst, aber wir sind Kämpfer und haben durch jahrzehntelange Erfahrung in der Selbstständigkeit gelernt, dass es immer einen Ausweg aus der Sackgasse gibt. Man darf sich nie darauf verlassen, dass die Dinge so bleiben, wie sie sind. Die Wirtschaft ist in ständigem Wandel und wir müssen flexibel bleiben.
Durch offene Aufträge für Restaurationen, die vor der Corona-Krise bei uns eingegangen sind, hatten wir nach der Schließung noch Arbeit. So mussten wir uns zunächst keine Sorgen um die Finanzen machen, bis der Schritt ins Onlinegeschäft getan war.
Mit dem Wachstum des E-Commerce musste der Einzelhandel in den letzten Jahren immer mehr ums Überleben kämpfen.
Andere Ladenbesitzer hat es härter getroffen; viele der Ladenflächen in unserer Umgebung sind bereits leer. Das ist erschreckend, aber nicht überraschend. Mit dem Wachstum des E-Commerce musste der Einzelhandel in den letzten Jahren immer mehr ums Überleben kämpfen. Dieser Prozess wurde durch Corona nun extrem beschleunigt.
Wenn du noch auf der Suche nach Inspiration für deinen Shop bist, beschäftigen wir uns in diesem Blogbeitrag mit der Frage: "Was lässt sich gut verkaufen?"
Weshalb habt ihr euch gerade jetzt dazu entschieden, in den E-Commerce einzusteigen?
Peter: Einen Onlineshop aufzubauen, stand schon seit längerer Zeit zur Debatte. Ich hatte jedoch bis vor Kurzem Bedenken, da bei Möbelstücken die Lieferung und Abholung mit einem sehr großen Aufwand verbunden ist. Zudem müssen wir bei einem Online-Kauf ein zweiwöchiges Rückgaberecht gewähren. Ich habe befürchtet, dass der Lieferaufwand letztendlich nicht im Verhältnis zum Umsatz steht.
Nach der Ladenschließung war uns jedoch klar, dass ein Onlineshop her muss, wenn wir überleben wollen.
Mein Sohn hat durch einen Nachbarschaftsaufruf auf Facebook mit dem Shopify-Experten Adrian Piegsa von Tante E Kontakt aufgenommen. Dank seiner Hilfe war der Shop innerhalb einer Woche einsatzbereit. Das war auch nötig, denn wir gerieten in eine immer schlechtere finanzielle Lage.
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Wie habt ihr es geschafft, einen Onlineshop innerhalb einer Woche aufzubauen?
Minimalistisch und clean - der Onlineshop von Antik Acente
Marvin: Durch die Unterstützung von Tante E, wussten wir genau, welche Informationen für den Inhalt des Onlineshops benötigt werden. Wir begannen also, alles zusammenzusuchen, was für den Shop wichtig war: Fotos der Mitarbeiter, Produktfotos und -beschreibungen der ersten Artikel, die wir in unser Online-Sortiment einpflegen wollten. Innerhalb weniger Tage war alles parat.
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Samstag haben wir die Informationen an Adrian geschickt und er hat alle Produktdaten und Inhalte für uns in den Onlineshop eingepflegt. Sonntagabend war der Shop fertig und am Montag haben wir per Videocall alles besprochen.
Es ging sehr schnell und war einfach zu verstehen. Wir benötigten keine Hilfe dabei, uns durch den Shop zu navigieren und weitere Produkte einzustellen. Oftmals sind die Prozesse so intuitiv, dass wir einfach ausprobieren.
Wie gestaltet ihr eure Produktbilder und Beschreibungen?
Marvin: Jedes Möbelstück ist ein absolutes Unikat und das heben wir auch hervor. Die Produktfotos nehmen wir hier im Laden auf. Inspiration für die Gestaltung haben wir uns von anderen Shops abgeguckt, denn hohe Qualität der Bilder ist für einen gelungenen Onlineauftritt unumgänglich.
Aktuell nutzen wir eine weiße Leinwand. So wirken die Fotos bereits professionell, auch wenn noch recht viel Photoshop-Bearbeitung notwendig ist. In Zukunft wollen wir andere Lösungen ausprobieren. Zum Beispiel die Inszenierung eines Hintergrunds hinter dem Möbelstück.
Peter: Unsere Produkte sind dafür gemacht, unsere Kunden ein ganzes Leben lang zu begleiten. Sie verlieren nicht an Wert, ganz im Gegenteil. Der Kleiderschrank hilft uns jeden Tag, ein Outfit zusammenzustellen und gibt dem Hochzeitskleid oder den ersten Kindersachen ein Zuhause. Somit gewinnt er über die Jahre an emotionalem Wert. Diesen Aspekt bringen wir auch in unseren Beschreibungen zum Ausdruck.
Wir heben ebenfalls die Nachhaltigkeit hervor, da Konsumenten immer häufiger nach nachhaltigeren Alternativen suchen. Die Möbelstücke sind Teil eines Kreislaufs. Sie werden nie entsorgt, sondern immer wieder aufbereitet. So werden Ressourcen gespart, in dem Produkte länger genutzt werden.
Die erste Bilanz: War der Einstieg in den E-Commerce die richtige Entscheidung?
Peter: Wir sind nun erst seit kurzer Zeit online und haben gerade mit der Werbung für unseren Onlineshop begonnen. Durch die Unterstützung unserer Mitarbeiter sind wir mittlerweile auch auf Facebook und Instagram präsent und erreichen sogar Kunden außerhalb Kölns, wie beispielsweise aus Frankfurt. Auch in unserem Schaufenster haben wir auf unseren Onlineshop aufmerksam gemacht.
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Marvin: Bisher haben wir nur wenige Verkäufe erzielt, nichtsdestotrotz zeigt der Onlineshop bereits Wirkung. Kunden entdecken Möbel online und kontaktieren uns anschließend per E-Mail oder Telefon, um einen Kauf zu tätigen.
Grund dafür ist, dass unseren Kunden der persönliche Kontakt sehr wichtig ist. Außerdem ist uns vor Kurzem aufgefallen, dass die Option der kostenlosen Selbstabholung im Check-out fehlte und lediglich eine gebührenpflichtige Lieferung angeboten wurde. Das könnte einige Interessenten davon abgehalten haben, über den Shop zu bestellen.
Insgesamt sind wir mit unserem Shop sehr zufrieden, vor allem das schlichte und übersichtliche Design gefällt uns ausgesprochen gut. Wie viel Umsatz uns die Onlinepräsenz tatsächlich bringt, werden die nächsten Monate zeigen.
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Welche Zukunft seht ihr für den Einzelhandel?
Peter: Das erste Wochenende nach der Wiedereröffnung lief für uns sehr gut. Wir hatten bereits einige Einkäufer im Laden. Allerdings heißt das nicht, dass wir dadurch die Verluste der letzten Wochen wieder gut machen können. Normalität scheint auch weiterhin noch in einiger Ferne zu sein.
Ich bin überzeugt, dass die Krise nachhaltige Auswirkungen auf den Einzelhandel in Deutschland haben wird.
Wichtig ist, dass wir als Einzelhändler jetzt nicht aufgeben, während der Staat untätig zuschaut. Ich bin überzeugt, dass die Krise nachhaltige Auswirkungen auf den Einzelhandel in Deutschland haben wird. Dafür müssen wir gemeinsam eine Lösung finden.
Aktuell können uns nur die Konsumenten retten. Kaufen sie lokal, statt auf internationalen Onlinemarktplätzen, wird sich das positiv auf den Fortbestand des Einzelhandels in ihrer Umgebung auswirken. Wenn der Trend jedoch weiterhin zu Amazon & Co. geht, wird die nächste Generation in Zukunft durch verwaiste Straßen laufen.
Wir hoffen, dass Menschen beginnen, den Einzelhandel wieder zu schätzen.
Onlineshops allein sind meiner Meinung nach nicht die Lösung. Die Corona-Krise stärkt hoffentlich auch unseren Solidaritätsgedanken. Wir hoffen, dass Menschen beginnen, den Einzelhandel wieder zu schätzen. Diese Hoffnung steht und fällt natürlich damit, wie langfristig wir als Gemeinschaft umdenken.
Was können kleine und mittelständische Händler aus der Krise lernen?
Krisen machen kreativ.
Peter: Mein Rat an erster Stelle ist es, nicht aufzugeben. Viele Unternehmer können sicherlich nicht weitermachen wie bisher. Dennoch bietet eine Krise immer die Möglichkeit, bisherige Prozesse zu überdenken und bessere Alternativen zu finden. Meine drei Lektionen aus der aktuellen Situation sind:
1. Sei dynamisch
Wer aufmerksam ist und seine Unternehmung mit Leidenschaft betreibt, wird schnell neue Ideen haben, um mit Kunden zu interagieren und ihr Interesse zu wecken.
In unserem Fall könnte dies beispielsweise bedeuten, dass ein Kunde sich bis zu drei Möbelstücke ansieht, wir liefern diese und er sucht sich schließlich eines davon aus. Kunden sind oft unsicher, ob ein Möbelstück in ihren Wohnraum passt. Mit dieser Option können sie dieses Risiko umgehen und treffen mit Sicherheit die richtige Kaufentscheidung.
2. Sei persönlich
Der persönliche Bezug zwischen uns und unseren Kunden ist der wichtigste Faktor für unser Geschäft. Wir führen viele Gespräche weit über das normale Verkaufsgespräch hinaus, um uns gegenseitig kennenzulernen. Das intensiviert die Beziehung unheimlich und bringt Kunden dazu, ihren Freunden und Bekannten von uns zu erzählen.
Mein Rat an alle Einzelhändler ist: Sprecht mit euren Kunden, seid offen, hilfsbereit und aufmerksam. Denn eine bessere Werbung als zufriedene Kunden gibt es nicht.
3. Sei solidarisch
Solidarität mit anderen Einzelhändlern, zum Beispiel in derselben Straße, ist eine weitere Chance. Gemeinsam kann man so beschließen, einen einwöchigen Sonderverkauf zu veranstalten. Damit gibt es einen größeren Anreiz für Konsumenten, in dieser Woche zum Einkaufen in die Straße zu kommen.
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Solidarität statt Konkurrenz unter Einzelhändlern
Viele Händler sind leider noch vom Konkurrenzgedanken geleitet und verstehen nicht, dass gemeinsame Werbung allen Parteien zugutekommt. Ich empfehle daher, dass Händler zusammenzuhalten und sich gegenseitig stärken, um diese Krise zu überstehen.
Titelbild von Matt Seymour, weitere Bilder von Matthew Waring, Nina Strehl und Kari Shea.
Über die Autorin: Inara Muradowa ist SEO & Content Beraterin. Ihr Schwerpunkt ist der Bereich E-Commerce. Im Shopify-Blog porträtiert sie am liebsten erfolgreiche Gründer*innen und gibt Insider-Tipps zu aktuellen Trends.
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