Das Internet sollte für alle zugänglich sein. Es ist nicht nur für Menschen mit perfektem Sehen und Hören oder für diejenigen gedacht, die zum Tippen volle Kontrolle über ihre Finger haben. In den frühen Tagen des Webs gab es viele Webseiten mit Barrieren für die Zugänglichkeit. Menschen mit Seh- und Hörbehinderungen oder eingeschränkter Feinmotorik fanden nur wenige vollständig zugängliche Webseiten.
Heute hat sich die Landschaft verändert. Das World Wide Web Consortium (W3C) und die Richtlinien zur Barrierefreiheit im Web haben dazu beigetragen, das Web für Menschen mit physischen oder kognitiven Einschränkungen zu öffnen. Gleichzeitig sind Hilfstechnologien auf den Markt gekommen, die es Webentwickler:innen ermöglichen, die Zugänglichkeit ihrer Seiten für alle Besucher:innen zu verbessern.
Hier ist ein Überblick über die aktuellen Standards für Barrierefreiheit im Web und Lösungen, die du auf deiner E-Commerce-Website anwenden kannst.
Was ist Barrierefreiheit im Web?
Barrierefreiheit im Web ist die Praxis, eine Website oder Webanwendung so zu gestalten und zu entwickeln, dass sie für möglichst viele Menschen nutzbar ist, unabhängig von ihren physischen Bedingungen oder kognitiven Fähigkeiten. Webentwickler:innen übernehmen dieses Konzept, um den gleichen Zugang zu Informationen im Internet zu gewährleisten, insbesondere da das Internet ein wesentlicher Bestandteil des täglichen Lebens geworden ist.
Eine vollständig zugängliche Website bietet allen Nutzenden, einschließlich Menschen mit eingeschränktem Sehen, Hören, Sprechen, Feinmotorik oder Kognition, ein zufriedenstellendes Benutzererlebnis. Programmierer:innen antizipieren mögliche Zugänglichkeitsprobleme während des Entwicklungsprozesses und gestalten Anwendungen so, dass ihre Seiten und Apps so weit wie möglich zugänglich sind.
Was sind bewährte Praktiken für Barrierefreiheit im Web?
Webentwickler:innen verwenden das Akronym POUR, um eine ausreichend zugängliche Website zu beschreiben. POUR steht für:
- Perceivability oder Wahrnehmbarkeit. Eine oder mehrere Sinne können wahrnehmbare Webinhalte interpretieren. Die meisten Nutzenden nehmen Webinhalte mit ihren Augen wahr, aber einige sind auf Ton (über einen Screenreader) oder Berührung (über ein Braille-Display) angewiesen.
- Operability oder Bedienbarkeit. Bedienbare Webinhalte ermöglichen es den Nutzenden, auf die für sie beste Weise zu interagieren. Je nach Gerät kannst du mit Weboberflächen und Navigationselementen durch Tippen, Klicken, Wischen und Scrollen interagieren. Menschen mit eingeschränkten Feinmotorik können Augensteuerungen oder Kopfsteuerungen verwenden.
- Understandability oder Verständlichkeit. Verständliche Webinhalte sind für Nutzende unabhängig von physischen oder kognitiven Einschränkungen nachvollziehbar. Designs sind konsistent, und Text sowie Bilder sind klar, einfach und logisch angeordnet (z. B. steht eine Bildunterschrift neben dem Bild, das sie beschreibt).
- Robustheit. Robuste Webinhalte laden und funktionieren auf verschiedenen Geräten, von denen einige möglicherweise Zugänglichkeitswerkzeuge (wie Text-zu-Sprache-Software) verwenden, die Menschen helfen, multimediale Inhalte zu interpretieren.
Was sind die Richtlinien für zugängliche Webseiten?
Mehrere Organisationen und Regierungen haben Richtlinien zur Barrierefreiheit im Web herausgegeben, um die Chancengleichheit unter Internetnutzende zu fördern. Hier sind einige der verantwortlichen Stellen und ihre Zugänglichkeitsstandards:
Web Content Accessibility Guidelines (WCAG)
Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) dienen als umfassendes Rahmenwerk, das globale internationale Webstandards verkörpert. Sie werden vom World Wide Web Consortium (W3C) im Rahmen der Web Accessibility Initiative – Accessible Rich Internet Applications (WAI-ARIA) veröffentlicht.
Die Richtlinien für Autorenwerkzeuge des W3C beschreiben Zugänglichkeitslösungen für Desktop-Webbrowser, Apps auf mobilen Geräten und andere internetverbundene Apps wie Screenreader. Die Zugänglichkeitsprinzipien (Link auf Englisch) umfassen:
- Textalternativen für nicht-textliche Inhalte. Wenn deine Seite nicht-textliches Material wie Videos, Grafiken und Audiodateien enthält, kannst du diese mit Textbeschreibungen ergänzen, die sie zusammenfassen. Dies wird manchmal als Alt-Text bezeichnet.
- Untertitel und andere Alternativen für Multimedia. Untertitel, Transkripte und Gebärdensprachdolmetscher:innen in Videos bieten Alternativen zur Interpretation von Audioinhalten.
- Inhalte, die auf verschiedene Weisen präsentiert werden können. Die WCAG ermutigt zu Inhalten, die Nutzende für ein maximales Verständnis anpassen können, einschließlich der Möglichkeit, Text zu vergrößern oder einen Textblock als Audio abzuspielen. Du kannst Texte auch zugänglicher machen, indem du Audioaufnahmen anbietest, die von einer Person oder einer Software gelesen werden können.
- Inhalte, die leichter zu sehen und zu hören sind. Die Zugänglichkeitsaussage der WCAG ermutigt zu skalierbarem Text und Bildern und rät davon ab, Farbe als einziges Mittel zur Unterscheidung von Unterschieden zu verwenden, wie z. B. in einer Karte oder einem Diagramm. Webseiten sollten beim Laden keine Musik automatisch abspielen. Oder, wenn deine Webseite Hintergrundaudio benötigt, sollte es leise abgespielt werden, um Ablenkungen zu minimieren.
- Klare, lesbare Texte. Webnutzende sehen manchmal rechtlich bindende Dokumente online, wie Verträge und Nutzungsbedingungen. Diese müssen in einer lesbaren Schriftart gedruckt und herunterladbar sein.
Amerikanisches Bundesgesetz über Menschen mit Behinderungen (ADA)
Der Americans with Disabilities Act (ADA) wurde 1990 vom Kongress verabschiedet, um Diskriminierung aufgrund von Behinderungen zu bekämpfen. Das Gesetz gilt für Regierungsbehörden und private Unternehmen mit 15 oder mehr Mitarbeitenden. Die offiziellen Webrichtlinien des ADA verlangen von den Einrichtungen, dass sie zugängliche Seiten für Dienstleistungen wie die Wählerregistrierung oder die Beantragung eines Briefwahlzettels, das Einreichen von Steuerdokumenten, das Beantragen von staatlichen Leistungen, das Einreichen eines Polizeiberichts oder das Bezahlen von Tickets oder Gebühren anbieten.
Der ADA benennt keine spezifischen Anforderungen für von privaten Unternehmen betriebene Webseiten. Er stellt jedoch die folgende Anforderung an alle Unternehmen: „Unternehmen, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind, müssen geeignete Kommunikationshilfen und -dienste (oft als ‚Hilfs- und Unterstützungsdienste‘ bezeichnet) bereitstellen, wo dies notwendig ist, um sicherzustellen, dass sie effektiv mit Personen mit Behinderungen kommunizieren.“ Das US-Justizministerium vertritt die Auffassung, dass „eine Webseite mit nicht zugänglichen Funktionen die Fähigkeit von Menschen mit Behinderungen einschränken kann, auf die Waren, Dienstleistungen und Privilegien eines öffentlichen Unternehmens, die über diese Webseite verfügbar sind, zuzugreifen.“ Ohne spezifische Anforderungen zu benennen, drängt das Justizministerium die Geschäftsinhaber:innen, ihre Webseiten so zugänglich wie möglich zu machen, und verweist Webentwickler:innen auf die WCAG-Standards.
In Deutschland gilt das Behinderungsgleichstellungsgesetz (BGG). Im Juni 2025 tritt in Deutschland außerdem das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft.
EU-Richtlinie zur Web-Zugänglichkeit
Die Barrierefreiheit im Web der Europäischen Union legt Anforderungen an die Zugänglichkeit von Webinhalten für Desktop- und mobile Anwendungen in den Mitgliedstaaten der EU fest. Die Richtlinien dieser Initiative zur Web-Zugänglichkeit umfassen:
- Zugänglichkeitsberichte. Jede Website und mobile App muss eine Zugänglichkeitsmeldung enthalten, die nicht zugängliche Elemente anerkennt und Alternativen bereitstellt.
- Feedback-Optionen. Webseiten und Apps müssen einen Feedbackmechanismus anbieten, der es Nutzenden ermöglicht, Zugänglichkeitsprobleme zu melden oder Erklärungen zu nicht zugänglichen Inhalten anzufordern.
- Überwachung öffentlicher Webseiten und Apps. Webseiten und Apps, die die Öffentlichkeit informieren oder staatliche Geschäfte abwickeln, müssen regelmäßig überwacht werden, wobei alle drei Jahre Berichte an die Europäische Kommission zu übermitteln sind.
Wie mache ich meine Website zugänglich?
Es gibt geschäftliche Vorteile, wenn du deine Website für maximale Zugänglichkeit aktualisierst. Du kannst eine höhere Beteiligung des Publikums genießen, indem du deine Inhalte in mehreren Formaten zugänglich machst. Hier sind einige Möglichkeiten, um deine Webseiten für die größtmögliche Anzahl von Besuchenden zugänglich zu machen:
- Alt-Text für Bilder. Alt-Text für Bilder und Videos beschreibt visuelle Medieninhalte. Dies hilft zwei Arten von Seitenbesuchenden: Menschen mit Sehbehinderungen, da Screenreading-Software die Bildbeschreibung vorlesen kann, und Menschen mit langsamen Internetzugängen, da der Text in ihren Browsern geladen werden kann, selbst wenn Videos und hochauflösende Bilder nicht geladen werden können.
- Untertitel für Videos. Geschlossene Untertitel in Videos helfen Menschen mit eingeschränktem Hörvermögen oder solchen, die ihre Geräte ohne Audio nutzen müssen. Du kannst manuell Untertitel zu deinen Videos hinzufügen oder spezielle Software verwenden, die deine Audiospur in gedruckten Text umwandelt.
- Angemessene Verwendung von Farben. Wähle eine Farbenpalette mit hohem Kontrast (auf Englisch), damit Diagramme, Grafiken und Karten klar erscheinen und leicht gelesen werden können. Etwa 8 % der Männer und 0,5 % der Frauen haben eine Farbsehschwäche (CVD). Du kannst Inhalte zugänglicher für sie machen, indem du kontrastierende Farbmuster wie blau/orange, blau/rot oder blau/braun verwendest. Verwende Farbe nicht allein, um grafische Abschnitte zu unterscheiden; integriere andere Elemente wie Linien und Abstände.
- Blinkende Inhalte. Einige Internetnutzende können durch blinkende Inhalte abgelenkt oder erschreckt werden. Im schlimmsten Fall kann es Anfälle auslösen. Vermeide blinkende Inhalte.
- Video-Wiedergabe. Vermeide Autoplay-Videos und -Audio, die Internetnutzende verwirren und ablenken können und die Screenreader stören können. Wenn du Video und Audio einfügst, ermögliche Wiederholungen und Pausen, damit Nutzende es in ihrem eigenen Tempo interpretieren können.
Setze diese Zugänglichkeitsstrategien mithilfe der Autorentools deines Website-Baukästen um. Du kannst auch eine:n externe:n Anbieter:in beauftragen, die/der auf barrierefreie Kommunikationstechnologien spezialisiert ist. Diese:r Spezialist:in kann die Zugänglichkeit deiner Seite verbessern oder dir helfen, eine zugängliche Seite von Grund auf neu zu erstellen.
Wie teste ich die Zugänglichkeit meiner Website?
Verschiedene Bewertungswerkzeuge können dir dabei helfen zu bestimmen, ob deine Website ausreichend zugänglich ist. Hier sind drei, die du in Betracht ziehen solltest:
- SortSite. SortSite ist ein automatisiertes Tool, das deine Website auf Gerätekompatibilität und Zugänglichkeit scannt. Bonus: Es prüft auch Suchmaschinenoptimierung (SEO), defekte Links und sichere Verbindungen.
- WAVE. Das WAVE-Web-Zugänglichkeitsbewertungstool fordert dich auf, die URL deiner Seite einzugeben, und verwendet dann digitale Benutzeragent:innen (die einen Webbrowser der Nutzenden simulieren), um deine Seite auf die Einhaltung der WCAG-Richtlinien zu scannen.
- A11Y Color Contrast Accessibility Validator. Der A11Y Color Contrast Accessibility Validator prüft deine Website auf Farbkontrastprobleme und gibt Vorschläge zur Verbesserung der Zugänglichkeit für Menschen mit Farbblindheit oder die subtile Farbunterschiede nicht wahrnehmen können.
Die Verwendung solcher Werkzeuge auf deiner Website ermöglicht es dir, die Wartungskosten zu senken, da die Werkzeuge sich automatisch an hochgeladene Inhalte anpassen.
FAQ zur Barrierefreiheit im Web
Wie oft solltest du die Zugänglichkeit deiner Website überprüfen und aktualisieren?
Du solltest die Zugänglichkeit deiner Website überprüfen, wann immer du neue Inhalte hochlädst. Außerdem solltest du deine Seite aktualisieren, wenn Gruppen wie das World Wide Web Consortium (W3C) neue Standards und Erfolgskriterien für die Zugänglichkeit herausgeben.
Bist du gesetzlich verpflichtet, deine Website zugänglich zu machen?
Laut Titel III des Americans with Disabilities Act (ADA) darf deine Website keine Diskriminierung gegenüber einem Webseitenbesucher mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung ausüben. Titel III besagt jedoch auch, dass private Unternehmen, wie E-Commerce-Anbieter, möglicherweise nicht vollständig mit dem ADA übereinstimmen müssen, wenn dies eine „unzumutbare Belastung“ für den Geschäftsinhaber darstellt.
Für Deutschland tritt im Juni 2025 das BFSG in Kraft. Ob dein Shop Änderungen vornehmen muss, kannst du hier testen.
Was sind die Konsequenzen einer nicht zugänglichen Website?
Eine nicht zugängliche Website schränkt die Anzahl der Kund:innen ein, die mit deinem Unternehmen interagieren können. Um dein Unternehmen einem breiteren Publikum potenzieller Kund:innen zu präsentieren, solltest du eine Website oder einen E-Commerce-Shop erstellen, der alle Besucher:innen, einschließlich derjenigen mit sensorischen Problemen oder Einschränkungen der Feinmotorik, berücksichtigt.